Transalp 2015

25.7. – 31.7.2015

Torbole - Oberstdorf

504 km, 18035 hm, 7 Etappen

 

Auch dieses Jahr haben wir uns wieder aufgemacht, um die Alpen mit unseren Mountainbikes unsicher zu machen. Wir haben uns dieses Jahr für den letzten Teil von Zahns Magischem Dreieck entschieden, nachdem wir die ersten beiden Teile von Oberstdorf zum Lago Maggiore 2006 und vom Lago Maggiore nach Torbole 2012 absolvierten. Die Daten des letzten Teils von Torbole nach Oberstdorf muteten schon bei der Vorbereitung recht angsteinflößend an. Wir haben deshalb im Vorfeld nicht wie üblich die Werbetrommel gerührt, um zusätzliche Mitfahrer zu gewinnen, sondern haben uns auf den harten Kern der Truppe beschränkt. Dieser bestand aus Gunther, Seppl und mir.

Bei der letzten Probefahrt vor der Tour stellte Gunther am Tag vor der Abfahrt einen irreparablen Schaden am Rahmen seines Cannondale Flash 29 fest. Ein Austausch in letzter Minute erwies sich als unmöglich, und ein passendes Ersatzrad war auf die Schnelle nicht aufzutreiben. Gunther entschloss sich deshalb, das Risiko einzugehen und mit dem beschädigten Rahmen zu fahren. Dieser hat dann auch bis zum Schluss durchgehalten.

 

Freitag, 24. Juli 2015, Anreise

Wir hatten um Vorfeld angefragt, ob wir unsere Autos auf dem Parkplatz des Hotels Wittelsbacher Hof für die Woche abstellen durften. Das hat man uns freundlicherweise erlaubt. Nach einigem Hin und Her betreffend der Anreise von Oberstdorf nach Torbole hat Gunther schlussendlich doch noch einen Shuttle-Service gefunden, der uns für vertretbares Geld nach Torbole gebracht hat. Da wir schon recht früh in Oberstdorf ankamen, konnten wir den „Fahrservice-Süd“ schon eine halbe Stunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt anrollen lassen. Der Fahrer erschien am Treffpunkt mit einem Transporter mit Anhänger für 20 Fahrräder. Wir waren die einzigen Fahrgäste, wir hatten also mehr als ausreichend Platz und konnten uns mächtig breit machen. Schnell noch die Räder und den Proviant verpackt, und los ging es über den Fernpass und den Brenner. Bei Sterzing fing es dann heftig an zu Regnen und zu Hageln. Besser jetzt, als ein paar Tage später… Ansonsten war die Fahrt recht ereignisarm und wir kamen gegen 17:00 Uhr in Torbole an, wo wir im Hotel Geier zwei Zimmer reserviert hatten. Ich habe noch mit der Klimaanlage im Zimmer gekämpft und gewonnen, bevor wir vor dem Hotel zu Abend gegessen haben. Nudeln und Pizza, sowie das eine oder andere Bierchen sollte uns die nötige Power für den nächsten Tag geben. Zum Abschluss gab es noch ein Eis auf die Hand, bevor wir uns in unsere Zimmer zurückzogen. In meinem Zimmer war es mittlerweile rattenkalt. Die Klimaanlage hatte offenbar ihren Dienst getan.

 

Samstag, 25. Juli 2015, Torbole – Storo, 56,6 km, 2196 hm

Es hatte die ganze Nacht durchgeregnet. Pünktlich um 7:00 hörte es aber auf, und wir konnten unser Frühstück auf der Terrasse des Hotels einnehmen. Gunther und Seppl hatten wegen nächtlichem Straßenlärm recht wenig geschlafen und erschienen recht zerknautscht zum Frühstück. We nigstens lugte die Sonne schon etwas hinter den Wolken hervor, und bis wir um 9:00 aufbrachen, sah das Wetter schon viel freundlicher aus. Die Sonne, der See und die Berge bildeten die perfekte Kulisse für das obligatorische Gruppenbild, bevor wir auf dem Radweg nach Riva rollten. Am alten Pumpspeicher-Kraftwerk bogen wir auf die recht sanft ansteigende Ponale nach Limone, die perfekt zum gemütlichen Einrollen taugt. Kurz vorm Passo Nota trafen wir auf einen verirrten Bajuwaren, der planlos ohne Karte nach dem Tremalzo suchte. Nachdem wir diesen aufs richtige Gleis gesetzt hatten, gönnten wir uns eine Erfrischung an der Hütte am Passo Nota. Der geschäftstüchtige Wirt hatte an jedem verfügbaren Wasserhahn gut sichtbare „Kein Trinkwasser“-Schilder angebracht, und so mussten wir auch unsere Radflaschen mit Trinkwasser aus dort käuflich zu erwerbenden PET-Flaschen füllen. Weiter ging’s gut erfrischt auf der Tremalzo-Straße, wo uns Scharen von offensichtlich hirn- und manchmal auch helmlosen Schuttle-Bikern entgegenkamen, nicht selten mit gut erkennbaren Fahrtechnik-Defiziten. Wir haben es trotzdem bis nach oben geschafft, wo wir unseren verirrten Bayern wieder trafen. Spagetti und Radler im Refugio Tremalzo brachten die Lebensgeister zurück. Eigentlich müsste man nach Storo nur noch die Straße hinunterrollen, aber wir entschieden uns dafür, Zahns Strecke zu folgen. Diese führt zunächst auf Schotterpiste abwärts, dann auf einen Gegenanstieg auf einem schmalen Pfad. Auch die weitere Abfahrt fand auf einem Trial statt, welchen wir aus Rücksicht auf unsere Knochen teilweise per pedes bewältigten. Abschließend ging es über eine Kräuterwiese voll mit duftender wilder Minze, wo wir auf die Fahrstraße hinunter nach Storo trafen.

Wir hatten mehrfach in Internet gelesen, dass das Albergo Firi in Storo eher nicht für eine Übernachtung zu empfehlen ist. Ein Blick im Vorbeirollen erhärtete diese Erkenntnis. Dumm nur, dass Storo sonst keine brauchbaren Übernachtungsmöglichkeiten bietet. Wir suchten deshalb den Rat der Einheimischen, die sich in einer kleinen Bar am Dorfplatz die Zeit vertrieben. Ein älterer Zeitgenosse mit reichlich ramponierter Kauleiste empfahl uns, in den nächsten Ort zu rollen und es dort im Casa Essenia zu versuchen.  

Dem Rat sind wir auch gefolgt, und schon nach wenigen, flachen Kilometern fanden wir, was wir suchten. Das Casa Essenia machte von außen einen sehr schönen Eindruck. Ein altes, renoviertes Bauernhaus. Wir klingelten, und die Dame des Hauses öffnete die Tür. Im Haus sei kein Zimmer mehr frei, gab man uns zu verstehen, aber im Nachbarhaus könnten wir übernachten. Duschen sei da nicht möglich, weil kein warmes Wasser verfügbar ist, aber das, und auch das Abendessen, könnten wir im Casa Essenia erledigen. Ohne nach dem Preis zu fragen, checkten wir ein. Die Dusche im Keller des Casa Essenia war recht improvisiert, aber sei’s drum. Bis zum Essen war noch reichlich Zeit, und so gönnten wir uns im nahegelegenen Biergarten noch ein alkoholisches Kaltgetränk, welches mit etwas Schinken und einer saftigen Rechnung serviert wurde.

Zum Essen auf der Terrasse erschienen alle Gäste des Hauses. Serviert wurde hausgemachte Polenta vom eigenen Mais, Linsen, Lachsforelle, Salat, sowie Rot- und Weißwein in ausreichender Menge. Dieser lockerte die Zunge merklich für eine Grundsatzdiskussion über das Verhältnis von Hunden, deren Haltern und Radfahrern mit einer ebenfalls anwesenden Atemtrainerin und Hundehalterin aus Starnberg. Bevor das Gespräch in die Frage nach dem Sinn und Unsinn von Haustierhaltung und dem Bekleben eines spritfressenden Offroad-Monsters mit Öko-Aufklebern abdriften konnte, offerierte der Hausherr noch eine Auswahl von teilweise sehr seltsam anmutenden, selbst angesetzten Spirituosen. Gut gesättigt verzogen wir uns in unser Zimmer. Seppl fühlte sich durch angebliche Schnarchgeräusche in seiner Nachtruhe gestört und verzog sich in eines der leerstehenden Nachbarzimmer. Die laute Musik vom Dorffest vereitelte aber auch dort eine erholsame Nachtruhe, und das abschließende Feuerwerk um 4:00 Uhr morgens tat ein Übriges. Ich habe von all dem Spektakel allerdings recht wenig mitbekommen.

 

Sonntag, 26. Juli 2015, Storo – Breno, 81.8 km, 3071 hm

Das Frühstück wurde in der schön hergerichteten guten Stube serviert. Wegen der anstehenden langen Etappe saßen wir schon um 7:00 Uhr unter 400 Jahre altem Gebälk und genossen selbstgekochte Marmelade auf selbstgebackenem Brot. Gespannt erwarteten wir die Rechnung, und waren angenehm überrascht, als der Hausherr uns nur 50 Euro pro Nase für Kost und Logis abknöpfte, wohlgemerkt inclusive Getränken. Nach dem üblichen taktischen Geplänkel um die Lokus-Reihenfolge saßen wir um 8:10 Uhr leidlich fit auf unseren Rädern. Die Auffahrt zum Brufione auf einem kleinen Teersträßchen startete recht gemütlich, wurde dann aber immer steiler. Ein kleiner, ungewollter Abstecher bescherte uns 100 Höhenmeter extra. Wieder zurück auf dem rechten Pfad wurde es dann bald so steil, und vor allem unwegsam, dass wir unsere Räder 200 Höhenmeter durch mannshohes Gestrüpp schoben.

Oben auf dem Brufione hofften wir auf die Möglichkeit einzukehren, aber die in der Karte eingezeichnete Hütte erwies sich als eine reine Biwak-Hütte ohne Bewirtung. Trotzdem gönnten wir uns eine kurze Pause auf dem sonnigen Bänkchen vor der Hütte, bevor wir uns auf die 600 Höhenmeter lange, komplett fahrbare Presslufthammer-Abfahrt begaben, die unsere Bremsen erheblich strapazierten. Unten angekommen holten wir die oben verpasste Rast nach. Die Kneipe offerierte leider nicht die erhofften Nudeln. Wir bestellten stattdessen irgendetwas von der Karte. Lesen konnten wir zwar nicht, was da angeboten wurde, aber anhand des Preises erhofften wir uns, die richtige Wahl getroffen zu haben. Angekarrt wurde dann eine Schinken-Käse-Platte, was dem Käse-Hasser Gunther nicht so wahnsinnig gefiel. Egal, der Schinken und die dazu gereichten Plastik-Brötchen stillten auch seinen Hunger. Den Rest des Käses verstaute Seppl in seinem Rucksack. Dann ging’s weiter auf einer schmalen Fahrstraße bergauf Richtung Croce Domini. Recht unsicher wirkende Motorradfahrer in beide Fahrtrichtungen verschafften uns während der ansonsten recht langweiligen Auffahrt etwas Spannung, aber zumindest Gunther und ich schafften es nach oben, ohne abgeschossen zu werden. Nach 45 Minuten des Wartens auf Seppl fingen wir aber an, uns Sorgen zu machen. Per Handy war er auch nicht zu erreichen, und so machten wir uns auf die Suche.

Ein Porsche-Fahrer erzählte uns von einem Radfahrer, der sein Rad auf der Straße hochschleppt. Die Beschreibung passte, und so fuhren wir Seppl entgegen. Reichlich angefressen trafen wir ihn nach einigen Höhenmetern, sein Rad auf den Schultern tragend. Plattfuß, und Reserve-Schlauch auch kaputt…

Nachdem mein Reseveschlauch montiert war und meine Satteltasche endgültig den Geist aufgegeben hatte, radelten wir wieder auf den Pass und bogen dort auf eine Schotterstraße ab, die uns weitere 100 hm bergwärts zum Croce Domini führte. Es folgte eine weitere ruppige Abfahrt. 1700 Höhenmeter galt es zu vernichten. Harte Arbeit für die Federgabeln und die schon am Vortag malträtierten Bremsen. Relativ spät erreichten wir Breno. Nachdem die örtliche Jugendherberge offenbar geschlossen hatte, checkten wir im Hotel Giardino im Stadtzentrum ein. Das Hotel erwies sich von innen als deutlich weniger ramponiert als es von außen den Anschein hatte. Nach dem Duschen und Klamottenwaschen speisten wir auf der Terrasse des Hotels, wo ziemlich besoffene Alpinisti den lombardischen Feiertag grölend ausklingen ließen. Wir versuchten mit ein paar Gläschen Weißwein aufzuholen, mussten aber einsehen, dass wir chancenlos waren. Seppl hat nach dem Essen noch sein Tretlager zerlegt, um einem lästigen Knacken zu Leibe zu rücken. Wer gut schmiert, der gut fährt, war das Motto, gebracht hat es aber leider nichts.

 

Montag, 27. Juli 2015, Breno – Sondrio, 81.3 km, 2825 hm

Nachts hat es mächtig geregnet, morgens schien aber schon wieder die Sonne. Wir trafen uns wieder um 7:00 Uhr zum Frühstück, weil erneut eine lange Etappe anstand. Bevor es richtig los ging, haben wir Seppls Rad wieder zusammengebaut und an der nahegelegenen Tanke sein Vorderrad neu aufgepumpt, um das lästige Eiern durch einen schief aufgezogenen Reifen zu beseitigen. Noch ein paar Meter mussten wir auf der Hauptstraße absolvieren, bevor ein kleines Teersträßchen links von dieser abbog. Erst war dieses noch gut fahrbar, aber nach ein paar hundert Höhenmetern wurde das Sträßchen so steil, dass Schieben schneller war als Fahren. Immerhin galt es, 1000 Höhenmeter auf 5 Kilometer zu machen. Tausende Mücken begleiteten uns auf unserem Weg, denen das schwüle Wetter offenbar deutlich besser schmeckte als uns. Mein Garmin hatte schon seit dem Start der Etappe den Dienst eingestellt, aber zum Glück hatten wir ja noch Gunthers Navi. Weiter ging es, immer noch bergan, auf einem Wirtschaftsweg bis auf 1900 m. Seppl hatte mal wieder einen Plattfuß, welcher diesmal recht schnell beseitigt war. Die insgesamt bisher 1600 Höhenmeter haben uns mehr Zeit gekostet als erwartet. Trotzdem konnten wir nicht widerstehen, einen kleinen Umweg zum Rifugio Campione in Kauf zu nehmen, um dort die leeren Kohlenhydrat-Speicher wieder zu füllen. Weil es auf 1900 Meter am Passo Campelli recht schattig war, haben wir uns in die Hütte gesetzt. Die Wirtin hat uns offenbar unseren Kohldampf angesehen und eine ganze Pfanne Nudeln mit Tomatensauce auf den Tisch gestellt. Wir haben die Pfanne komplett geleert, Spülen war danach sicher nicht mehr notwendig. Zurück auf der Strecke holperten wir auf einem Wirtschaftsweg auf 1600 Meter abwärts, dann ging es auf Asphalt sanft ansteigend wieder auf 1800 Meter. Dort bogen wir auf einen Pfad, der uns zunächst fahrend, dann schiebend auf den Passo Gatto auf 2400 Meter führte. Auch bergab mussten wir 250 Höhenmeter schiebend bewältigen, dann führte uns ein gut fahrbarer Forstweg zum Lago Belviso und weiter auf die Hauptstraße nach Sondrio. Die Hauptstraße war recht stark befahren und die Italienischen Automobilisten verleihten ihrer Begeisterung über Rad fahrende Verkehrshindernisse dadurch Ausdruck, dass sie versuchten uns mit Scheibenwaschwasser zu erfrischen. Da es mittlerweile wieder recht warm war, lies uns das aber recht kalt. In Sondrio haben wir uns durch ein paar Eingeborene zum Hotel Europa schicken lassen. Die kreative Preisgestaltung gestattete uns einen aufschlussreichen Einblick in die Hintergründe der Italienischen Finanzmisere, aber das Hotel erschien ansonsten recht gut. Ich wurde wieder in ein Einzelzimmer verbannt. Duschen und Wäsche waschen war schnell erledigt. Danach machten wir uns auf zu einer recht netten und vor allem nahegelegenen Pizzeria. Bei Pizza, Nudeln und einer atemberaubenden Menge an vornehmlich alkoholfreien Getränken diskutierten wir den weiteren Verlauf der Tour, da Seppl heute einen schlechten Tag hatte. Normalerweise hängt Seppl uns alten Säcke am Berg locker ab, aber die schlaflosen Nächte der vergangenen Tage sowie ein Trainingsrückstand, bedingt durch Hausumbau, forderten an diesem Tag offenbar seinen Tribut. Wir beschlossen aber, dass Seppl den nächsten Tag auf jeden Fall noch mit nach Maloja radelt. Zufrieden mit dem Ergebnis der Diskussion verzogen wir uns in unsere Betten und verbrachten eine ruhige Nacht.

 

Dienstag, 28. Juli 2015, Sondrio – Maloja, 46.3 km, 2411 hm

Wir erwarteten eine recht kurze Etappe. Deshalb gönnten wir uns eine um eine halbe Stunde verlängerte Nachtruhe und trafen uns um 7:30 Uhr zum Frühstück. Das Frühstück war sehr gut, und wir schmierten uns noch eine Stulle für unterwegs, bevor es losging. Seppls Laune war wegen der ruhigen Nacht deutlich besser als am Vortag, erlitt aber einen kleinen Dämpfer, als wir in der Hotel-Tiefgarage feststellten, dass sein Vorderrad schon wieder platt war. Der Schaden war durch den Einbau unseres letzten Ersatzschlauches schnell beseitigt. Wir brauchten dringend Ersatz, aber zunächst führte uns die vielbefahrene Straße fern von jedem Radladen bergan. Seppl war offenbar wieder fit und stellte die gewohnte Hackordnung bei der Auffahrt wieder her. Vorbei ging’s an monströsen Schiefersteinbrüchen, in denen Schieferdachplatten gebrochen wurden, die auch überall in der Region auf den Häusern zu sehen sind. Ab 1600 Metern ging es weiter auf einem Forstweg, welcher ab 1800 Meter zu steil zum Fahren wurde. Auf 2070 Metern bogen wir auf einen alten Römer-Pfad. Der Pfad war in erbärmlichem Zustand. Offenbar kam hier schon lange kein Römer mehr vorbei, um den Weg zu pflegen. Also war Schieben und Tragen angesagt. Kurz vor dem Passo Muretto kamen uns zwei fluchende Radler entgegen, welche uns berichteten, dass es auf der anderen Seite nicht besser würde. Welcher Gipskopf auf dem Pass ein Mountainbike-Schild aufgestellt hat, konnten uns diese aber auch nicht sagen. Satte 600 Höhenmeter schleppten, schoben, warfen und schupsten wir unsere Fahrräder talwärts über Geröllfelder mit mannshohen Felsbrocken. Der Weg war teilweise nicht als solcher zu erkennen. Einzig ein paar Altschneefelder ermöglichten zeitweise ein einigermaßen fixes Vorankommen. Nur Seppl spurtete gämsengleich talwärts, während wir Senioren mit Rücksicht auf unsere Gräten Vorsicht walten ließen. Endlich kamen wir am Lägh da Cavoic-See an. Insgesamt 4 Stunden Schieben und Tragen hat uns der Muretto gekostet. Ein für Radfahrer völlig hirnrissiger und bescheuerter Übergang. Zu allem Überfluss befanden wir uns nun auch noch in der Schweiz, was uns durch die patzige Bedienung und der astronomischen Preise in der Hütte am See deutlich gewahr wurde. 52 Euro drückten wir für 6 Mini-Radler, eine kleine Cola und 2 Stück Kuchen ab. Einzig das tolle Wetter erhellte unsere Laune. Nur noch ein paar Kilometer auf ausnahmsweise fahrbarem Geläuf waren es bis Maloja, dem heutigen Tagesziel. Der Weg führte uns zunächst zur Touristen-Info, wo wir 10 Minuten vor Toresschluss aufschlugen. Ein Telefonat später hatten wir eine Unterkunft in einem nahegelegenen Hotel, dessen Namen ich besser nicht veröffentliche. Nur so viel sei gesagt, es befindet sich sehr nahe bei der Touristen-Info und der örtlichen Lateria. Läuft ja super, dachten wir, auch wenn der Preis recht happig erschien. Die Ernüchterung folgte auf dem Fuße, als wir die Absteige, und vor allem den Wirt erblickten. Ich werde mich hier nicht weiter über das Etablissement auslassen, weil ich nicht den Rest meines Lebens im Knast verbringen möchte… Wir duschten kurz in der baufälligen Etagendusche und machten uns auf zur abendlichen Nahrungsaufnahme. Eine recht nett wirkende Pizzeria in der Nähe war schnell gefunden, und zusammen mit der Speisekarte wurde ein Prosecco aufs Haus serviert, um den Schock über die Preise runterspülen zu können. Egal, wir waren hungrig, das Essen war ok und die Rechnung danach entsprechend gesalzen. Zurück ging es in unsere Absteige zur Nachtruhe.

 

Mittwoch, 29. Juli 2015, Maloja – Arosa, 82.3 km, 2761 hm

Seppl verbrachte wieder eine lausige Nacht. Knieschmerzen (wahrscheinlich vom Abstieg vom Passo Muretto) und Straßenlärm vereitelten die erholsame Nachtruhe, und Kühlen der Knie und das Umziehen in eines der vielen leerstehenden Zimmer half wohl nicht viel, und so humpelte er um 7:30 Uhr etwas angefressen zum erwartungsgemäß lausigen Frühstück. Für jeden der insgesamt vier Gäste (es war offenbar außer uns noch einer so blöd, dort einzuchecken) gab es genau ein Brötchen. Ich hatte beschlossen, dieses Brötchen als Proviant für den Tag aufzuheben, wurde aber vom immer noch in dieselben dreckigen Klamotten gekleideten Wirt zurechtgewiesen. Interessant, noch am Vortag bekam Seppl sein verpacktes und am Frühstückstisch vergessenes Brötchen vom Personal quasi nachgetragen. Aber das war halt noch in Italien.

Seppls Knieschmerzen ließen sich auch mit Voltaren nicht auf die Schnelle beseitigen. Zwei Tage Pause für ihn sollten es richten. Seppl wollte mit der Rhätischen Bahn von St Moritz nach Bludenz zuckeln, wo wir uns zwei Tage später wieder treffen wollten. Also verabschiedeten wir uns von ihm, aber nicht vom launischen Hotelwirt, und schossen auf der Maloja Passstraße ein paar hundert Höhenmeter abwärts, bis wir rechts auf 1500 Meter an einer Liftsation auf einen Forstweg abbogen. Es war noch etwas kühl, aber trocken. Die Forststraße war gut fahrbar. Die vielen Verbotsschilder wegen Steinschlag mussten wir mangels Alternative leider ignorieren. Der Römerpfad hoch zum Septimer Pass war in deutlich besserem Zustand als der vom Vortag, und so konnten wir einiges fahren, oder zumindest entspannt schieben. Die vielen Murmeltiere feuerten uns mit ihrem Pfeifen an, ließen sich aber nur selten blicken.

Die Abfahrt vom Septimer Pass ist komplett fahrbar und führt durch ein schönes Tal mit toller Bergkullisse, besonders bei dem noch bombigen Wetter, hinunter zur Albula Passstraße. Dieser folgten wir talwärts Richtung Tiefencastel. Bevor wir dort ankamen gönnten wir uns noch ein paar Nudeln in einer Kneipe am Straßenrand und kauften den fehlenden Ersatz-Schlauch, um die Nerven zu beruhigen. Von Tiefencastel nach Lenzerheide radelten wir auf der Straße und legten ein flottes Tempo vor. In Lenzerheide füllten wir nochmal die Flüssigkeitsvorräte auf. Mittlerweile hatte der Himmel sich mit dicken Wolken zugezogen. Der Weg führte uns auf der Skipiste mit viel Gegenverkehr in Form von Gondel-Bikern und Fat-Tire-Rollern gut fahrbar zur Mittelstation der Seilbahn. Dort war auch schon der Rettungshubschrauber im Einsatz und seine Besatzung kümmerte sich um einen Biker, der nur ca. 30 Höhenmeter Abfahrt von der Mittelstation geschafft hatte. Ab der Mittelstation waren wir fast alleine auf dem Ziehweg, welcher mit jedem Meter steiler wurde und am Ende nicht mehr fahrbar war. Der Weg führte im Nebel durch eine schockierende Mondlandschaft mit Bulldozern und betonierten Wasserreservoirs für die vielen Schneekanonen. Offenbar war die Piefke-Saga aus den 90ern ihrer Zeit weit voraus. Zur bedrückenden Kiesgruben-Atmosphäre passten der einsetzende Regen und die schattigen 8°C perfekt. Oben an der Liftstation zogen wir uns alle verfügbaren Regenklamotten an, um während der Abfahrt nach Arosa nicht zu erfrieren. Die Bulldozer hatten auch auf der anderen Bergseite einen überzeugenden Job getan und die Berglandschaft in eine perfekt fahrbare breite Schotterautobahn verwandelt.

Arosa war somit schnell erreicht, wo wir triefend nass und reichlich durchgefroren ankamen. Schnell war eine Bleibe für die Nacht gefunden, und in der Bar des Hotels Provisorium13 gönnten wir uns noch vor dem Duschen einen Jägertee, um die kalten Glieder wieder auf Betriebstemperatur zu bringen. Nach dem Duschen machten wir uns auf zur Nahrungssuche. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber das Thai-Restaurant nebenan, das uns die nette slowakische Bedienung aus der Hotelbar empfahl, hatte leider Ruhetag. So machten wir uns auf in die Stadt, die schon merklich vom Niedergang des Schweizer Tourismus gezeichnet ist. Verkommene Häuser und leere Dönerbuden allerorts, aber wir haben dann doch ein nettes Restaurant im Hotel Cristallo gefunden, wo wir uns das für Schweizer Verhältnisse erschwingliche Tagesmenü in gediegener Atmosphäre gönnten. Leidlich gesättigt schlappten wir zurück zum Hotel und gönnten uns noch ein Gute-Nacht-Bierchen in der Hotelbar. Bevor wir uns in unsere Kojen verkrochen, bewunderten wir noch die vor dem Speisesaal ausgestellte 180 PS KTM 1290 Super Duke R. Seppl hatte sich in der Zwischenzeit per SMS gemeldet. Er war gut in Bludenz angekommen und hat auch schon eine nette Unterkunft gefunden.

 

Donnerstag, 30. Juli 2015, Arosa – Bludenz, 77.7 km, 2138 hm

Das Frühstück war wirklich sehr gut. Der Name des Hotels „Provisorium13“ erklärte sich durch die Möblierung der Frühstücksraums. Das Buffet bestand aus zersägten Europaletten und Kisten der Schweizer Staatsbahn, die allerdings gekonnt in Szene gesetzt waren. Die ebenfalls anwesende KTM Racing Gang mutete allerdings ob ihrer Körperfülle wenig renntauglich an. Wir checkten aus und unterhielten uns noch etwas mit e-Motorrad-Verleiher, der seine 30-PS Renner vor dem Hotel zur Schau stellte. Anscheinend liefen die Geschäfte zufriedenstellend. Wenig zufriedenstellend war aber nach wie vor das Wetter. Es nieselte und war auch recht kühl, besonders mit dem Wind-Chill während der Straßenabfahrt auf 1400 Meter.

Die Auffahrt zum Passo Durana wärmte uns dann aber rasch wieder auf. Oben am Pass haben wir zwei Schweizer Enduro-Bike-Mädels getroffen, die sich ebenfalls durch die mit Kuhscheiße bedeckte Landschaft kämpften und versuchten den Weg durch den dichten Nebel zu finden. Wir haben die beiden gut gelaunten Mädels auf dem fahrbaren Weg nach Klosters noch das eine oder andere Mal wiedergetroffen, bevor wie sie endgültig abhängen konnten. Vor dem Ort haben wir unsere Fahrräder noch in einem Bach vom anhaftenden Kuhdung befreit und sind dann entspannt in Klosters angekommen. Von einer früheren Tour kannten wir noch das Restaurant Al Capone, welches wir dann auch gleich aufsuchten, um ein paar Nudeln zu essen. Im Schlepptau hatten wir einen Großteil der im Prättigau ansässigen Fliegen, die offenbar die einzigen waren, die den Gestank unserer Klamotten als attraktiv empfanden. Weil das auch der Bedienung auffiel, war das sogar uns etwas peinlich. Aber der Hunger war stärker und wir bestellten, natürlich drinnen. Gestärkt machten wir uns auf, das sehr steile Teersträßchen nach Schlappin in Angriff zu nehmen. Nomen est Omen, und so schlappten wir auf dem schmalen Pfad hoch zum Schlappiner Joch, immer noch bei dichtem Nebel und beflügelt von dem Gedanken, das unwirtliche Land verlassen zu können. Oben auf dem Joch lockte der Grenzübergang nach Österreich. Diese Tatsache versüßte uns auch die 45 Minuten Schieben talwärts, wo wir auf einen gut fahrbaren Wirtschaftsweg trafen und feststellten, dass im Gegensatz zu ihren Schweizer Schwestern die österreichischen Kühe den Anstand besitzen, ihre Notdurft nicht ausschließlich mitten auf dem Weg zu verrichten. Runter ging’s deshalb recht flott nach Gargellen, und von dort runter auf Straße nach St Gallenkirchen. Entlang der Ill führt ein Radweg nach Bludenz, auf dem wir GPS-geführt gemütlich zu der von Seppl durchgegebenen Adresse radelten. Wir kamen dort wie verabredet um 18:00 an. Seppl erwartete uns schon in dem eindrucksvollen Gästehaus. Bei einem Bierchen berichtete er von seinem Tag in der Sauna, der schönen, aber teuren Fahrt mit der Rhätischen Bahn und vom guten Essen in der Pizzeria nebenan. Deshalb machten wir uns auch gleich nach dem Duschen auf, diese Pizzeria aufzusuchen. Nudeln und Pizza waren dann auch, wie von Seppl berichtet, sehr gut, ebenso wie die dazu gereichten scharfen Saucen und der rote Haus-Zweigelt. Zufrieden und in Vorfreude auf die morgige Schlussetappe verkrochen wir uns in unsere Betten. Das Wetter versprach auch, sehr gut zu werden.

 

Freitag, 31. Juli 2015, Bludenz – Oberstdorf, 79.1 km, 2633 hm

Finale! Sonne, blauer Himmel. Die Wetterfrösche hatten offenbar einen ihrer besseren Tage und lagen mit der Vorhersage mal nicht daneben. Das Frühstück mit Honig von hauseigenen Bienen und selbstgemachter Marmelade war top. Zusammenpacken und noch ein Bild mit der netten, recht gesprächigen Wirtin, und los ging’s zur letzten Etappe. Seppls Knie waren auch soweit wieder hergestellt. Hoch ging es zunächst nach Sonntag auf Straße, danach etwas weiter auf einem Wirtschaftsweg durch den schönen Bregenzer Wald. Die letzten 30 Minuten zur Biberacher Hütte waren dann nicht mehr fahrbar, und so schoben wir eben. Auf der Terrasse der Hütte mit bombastischen Bergpanorama kratzten wir unsere letzten Kröten zusammen. Leider reichte unsere Barschaft nicht für ein fürstliches Mal, und so gab es eben nur flüssige Nahrung. Die nette Bedienung akzeptierte schlussendlich auch den Mix aus verschiedenen Währungen, und so blieb und das Geschirrspülen erspart.

Bevor wir nach der materialmordenden, steilen Abfahrt auf die Straße nach Warth bogen, legten wir nochmal eine Zwangspause ein. Seppl ertrug den mittlerweile fünften Platten mit stoischer Gelassenheit. Diesmal hatte es zur Abwechslung das Hinterrad erwischt. Auf der Straße nach Warth fanden einige Motorradfahrer Gefallen daran, uns möglichst knapp zu überholen. Einen Rennradler mit Begleitfahrzeug hängten wir locker ab. Naja, wenigstens gaben wir uns Mühe, möglichst locker zu wirken. In Warth haben wir erstmal unsere Barschaft aufgefrischt und uns für den letzten Anstieg nochmal ein paar Kohlenhydrate einverleibt. Der letzte Pass der Tour war der Schrofenpass, welchen wir schon einige Male in anderer Richtung gefahren haben. Aus dieser Richtung wirkt der Pass komplett anders. Allerdings haben wir uns nicht getraut, den Pass hinunterzufahren. Zwar ist das technisch möglich, aber der Weg ist so ausgesetzt, dass jeder Fehler der definitiv letzte wäre. Ein paar Fotos an der am meisten fotografierten Hühnerleiter der Alpen waren natürlich Pflicht.

 

 

Die letzten 15 Kilometer zum Hotel Wittelsbacher Hof, wo unsere Boliden geparkt hatten, verliefen dann, abgesehen von zwei Zwangsstopps wegen Holzfällerarbeiten, problemlos. Wir kamen um 18:30 Uhr verschwitzt und glücklich am Hotel an, verstauten unsere Räder und gönnten uns auf der Hotelterrasse ein verdientes Finisher-Bier. Leider mussten wir dazu unsere müffelnden Astral-Körper zur Haupt-Essenszeit durch den noblen Speisesaal bugsieren. Aber wir versuchten, die bohrenden Blicke der Anwesenden zu ignorieren. Danach war Duschen angesagt, Klamotten waschen war ja nicht mehr nötig. Wir versuchten lediglich, diese, sowie das nicht minder müffelnde Schuhwerk möglichst geruchsdicht zu verpacken, bevor wir uns in die City begaben, um etwas Essbares zu finden. Leider haben wir uns bei der Wahl des Restaurants etwas vergriffen. Die Schweinshaxe, auf die ich mich schon seit einer Woche gefreut habe, war jedenfalls eines bayrischen Lokals nicht würdig, und das gekünstelt volkstümliche Ambiente wirkte etwas wie Disney-Land und konnte höchstens einige der zu Hauf anwesenden „Preisn“ beeindrucken. Egal, wir waren guter Stimmung und zogen gesättigt weiter in eine Weinbar, wo wir noch zwei Schinkenplatten verdrückten. Eines fehlte natürlich noch zum Abschluss einer gelungenen Transalp.

 Den schon traditionellen Abschluss-Caipirinha tranken wir im Loft (https://de.wikipedia.org/wiki/Caipirinha), einer stylischen, sehr netten Bar. Gegen 1:00 Uhr kamen wir zurück zum Hotel und jedenfalls ich für meinen Teil schlief noch vor dem Aufprall auf die Matratze müde und zufrieden ein.

 

Samstag, 1. August 2015, Rückreise

Das Frühstück war erwartungsgemäß gut. Wir ließen uns auch ausreichend Zeit dafür. Gegen 10:00 Uhr verabschiedete ich mich von Gunther und Seppl. Die zwei wollten noch kurz in die Stadt zum Shoppen. Die Rückreise verlief bis zur Autobahn etwas schleppend, da viele Fahrzeuge mit gelben Nummernschildern und Wohnanhängern unterwegs waren. Ferienende in den Niederlanden eben…

 

Fazit:

Es war dieses Jahr wieder eine tolle Tour, meist hatten wir auch gutes Wetter. Das sehr ausgewogene Leistungsverhältnis bescherte uns sehr wenig Wartezeit. Einzig den Passo Muretto kann man sich sparen. Speziell im Adamello-Gebirge gibt es sehr wenige Einkehrmöglichkeiten. Die Schweiz werde ich persönlich in Zukunft möglichst meiden. Nicht so sehr wegen der Preise, sondern wegen der fürs Geld gebotenen Leistung und vor allem wegen dem lausigen und unfreundlichen Service. Ein nettes Wort sollte auch in der hochpreisigen Schweiz für lau drin sein. Ansonsten war’s wieder super. Die Planung für 2016 hat schon begonnen…

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Höhenprofil

Die nackten Zahlen:

 

 

 

Verwendete Karten: