Transalp 2016
11.7. – 16.7.2016
Schwaz/Inn - Torbole
427 km, 13452 hm,6 Etappen
Auch wenn dieses Jahr nur Gunther und ich die Zeit und Motivation aufbringen
konnten, eine Transalp zu starten, haben wir uns am 11. Juli 2016 aufgemacht,
die diesjährige Überquerung in Angriff zu nehmen. Seppl hat dieses Jahr eine
Babypause eingelegt. Nachdem wir ursprünglich die Westalpen mit Ziel Nizza
angepeilt hatten, haben wir uns bedingt, durch die Schneelage dort relativ
kurzfristig wieder für eine eher klassische Route entschieden. Gunther hat
dieses Jahr die Strecken-Planung fast im Alleingang gemacht.
Montag, 11. Juli 2016, Schwaz-Lanersbach
37,0 km, 1836 hm
Gestartet
sind wir in Schwaz am Inn. Die erste Etappe sollte eine kurze werden, weil wir
wegen diverser Verpflichtungen erst an diesem Tag anreisen konnten. Leider war
das Verkehrsaufkommen vor allem über den Fernpass recht hoch, sodass Gunther
erst um ca. 14:00 Uhr eintraf. So hatte ich noch Zeit, einen brauchbaren
Parkplatz für die Woche zu suchen. Der ursprüngliche Plan, die Autos in Pill am
Bahnhof zu deponieren, wurde von der ÖBB vereitelt. Am Sportplatz in Schwaz war
aber genügend Platz und kein Verbotsschild, und so waren wir um 14:30 Uhr klar
zum Aufbrechen. Das obligatorische Start-Foto ist leider verwackelt.
Noch war das Wetter super, fast eine Spur zu heiß. Aber die Wettervorhersage,
zumindest für die Alpen-Nordseite, war alles andere als ermutigend. Dort war von
Starkregen, Hagel und sinkender Schneefallgrenze die Rede. Ausnahmsweise hatten
die Wetterfrösche diesmal recht,
denn schon nach einer guten Stunde Auffahrt Richtung Geiseljoch zog sich der
Himmel zu. Gerade noch rechtzeitig schafften wir es zur Weidener Hütte, wo wir
uns ein erfrischendes Getränk gönnten. Wir hatten uns kaum hingesetzt, als es
draußen schon zu regnen begann. Toll, das fängt ja gut an. Glücklicherweise
handelte es sich nur um einen kurzen Schauer, und als wir die letzte Teilstrecke
auf dem Schotterweg zum Joch in Angriff nahmen, war es zumindest von oben wieder
trocken. Das Geiseljoch ist ein sehr angenehmer Übergang, da er fast komplett
fahrbar ist. Die verschwitzen Klamotten und die kühlen 12°C ließen uns schnell
frösteln, und so war oben am Joch erstmal Umziehen angesagt. Nach dem
Minigruppenfoto am Joch machten wir uns auf die komplett fahrbare Abfahrt. Es
war immer noch trocken, nur die Latschen wurden durch das aufspritzende Wasser
kräftig gewaschen.
Schnell haben wir in Lanersbach das Hotel Jakober ausgemacht und dort gleich 2
Einzelzimmer gebucht, weil Gunther behauptet, ich würde schnarchen und seine
Nachtruhe stören. Gunther hat sich noch einen Saunagang gegönnt. Nach dem
Wäschewaschen hat uns die freundliche Wirtin den Skischuh-Trockner im Keller
eingeschaltet, den wir auch zum Trocknen der Klamotten missbrauchten. Auf
Empfehlung der Wirtin schlappten wir dann zum nahegelegenen Kasermandl. Die
Wände waren zugepflastert mit Abbildern von Volksmusik-Größen und sonstiger
fragwürdiger Prominenz. Nudeln und
Schnitzel schmecken unter den Augen von Hansi Hinterseer und Genossen gleich
nochmal so gut. Ein oder zwei Bier machten das skurrile Ambiente erträglich.
Da es mittlerweile draußen wieder heftig regnete, haben wir uns vom
Kasermandl-Wirt noch einen Schirm für den recht kurzen Fußmarsch ins Hotel
geliehen. So sind wir dort relativ trocken angekommen und verbrachten dank
Einzelhaft beide eine geruhsame Nacht.
Dienstag, 12. Juli 2016, Lanersbach-Ridnaun
89,9 km, 3064 hm
Angesichts der vermeintlich längsten Etappe der Tour haben wir die Wecker auf
reichlich unchristliche 06:30 gestellt. Als uns unsere Ackerschnacker aus den
Federn scheuchten, regnete es draußen noch heftig. Das sehr gute und
reichhaltige Frühstück und die Tatsache, dass der Schuhtrockner es tatsächlich
geschafft hat, sowohl unsere Treter als auch unsere Klamotten komplett zu
trocknen, hellte unsere Laune aber merklich auf. Etwas deplatziert wirkten
allerding die Skifahrer, die sich mit Skistiefeln und Pudelmützen mitten im
Hochsommer zur Gletscherbahn bewegten. Als wir um 08:45 Uhr auf der Straße nach
Hintertux rollten, hatte es dann sogar aufgehört zu regnen. Die Auffahrt zum
Tuxer Jochhaus ist auf einem Wirtschaftsweg erst problemlos fahrbar, wird gegen
Ende aber so steil, dass Schieben genauso schnell und deutlich weniger
anstrengend ist. Oben angekommen genehmigten wir uns erst einmal eine Suppe und
ein paar alkoholfreie Biere. Von der sonst tollen Aussicht auf den Gletscher und
das Skigebiet gegenüber war aber wegen des Nebels nichts zu sehen. Egal, das
Wetter war deutlich besser als das, was wir vor ein paar Jahren hier erlebt
haben. Damals mussten wir wegen massivem Neuschnee an dieser Stelle umdrehen.
Dieses Jahr ging es weiter übers Tuxer Joch, und dann per Pedes 250 Höhenmeter
bergab. Gut, dass wir diesen Abstieg 2009 nicht bei Neuschnee probiert haben.
Nach ca. 45 Minuten Schieben gelangten wir auf einen Wirtschaftsweg nach Kasern
und von dort auf ein kleines Sträßchen nach St Jodock. Hier trafen wir auf die
alte Brenner-Straße, auf der wir nach Gries strampelten. In Gries frischten wir
im örtlichen Supermarkt nochmal die Getränkevor
räte
auf, bevor wir zur Sattelberg-Alm hochkurbelten. Der Weg dorthin ist komplett
fahrbar, allerdings herrscht ab der Sattelberg-Alm Fahrrad-Verbot, weil der
Almbauer auf der italienischen Seite Radler auf seinem Grundstück nicht duldet
und dieser Abneigung angeblich unter Zuhilfenahme landwirtschaftlicher Werkzeuge
wie Mistgabel und ähnlichem Ausdruck verleiht. Bei früheren Touren haben wir
das, wie wohl die meisten Radfahrer, ignoriert. Diesmal haben wir die extra
angelegte Mountainbike-Schiebe-Umgehung genutzt. Ca. 50 Minuten Schieben hieß es
hier, bevor wir den ersten Bunker auf der alten Brenner Grenzkamm Straße zu
Gesicht bekamen.
Fast zehn Kilometer weit folgten wir der leicht fahrbaren Brenner
Grenzkammstraßse auf über 2100
Metern Höhe mit Traumblicken vom Olperer bis in die Dolomiten, immer die viel
befahrene Brenner-Autobahn weit unter uns. Die Strecke führte uns erst über das
Kreuzjoch, dann das Flachjoch und schließlich das Sandjoch. Noch immer war es
trocken, aber wir hörten schon den Donner und sahen gelegentliche Blitze am
Himmel. Das verhieß nichts Gutes, und tatsächlich begann es heftig zu regnen,
als wir uns auf die tolle Trial-Abfahrt hinunter Richtung Sterzing machten. Der
komplett fahrbare Trial mündete auf einen schönen Radweg, der auf der alten
Bahntrasse angelegt fern vom Autoverkehr verlief. In Sterzing hörte der Regen
zunächst wieder auf. Ich nutzte die Regenpause, um eine Boxershort zu erstehen,
da sich meine Kunstfaser-Allergie in Form von wundgescheuerten Knochen meldete.
Kurz haben wir überlegt, in Sterzing zu übernachten. Glücklicherweise haben wir
uns aber doch dazu durchgerungen, die paar Kilometer und Höhenmeter nach Ridnaun
zu fahren. Erst ging das auch sehr flott auf einem kleinen Landsträßchen. Dieses
endete dann aber unvermittelt. Nur ein kleiner Singletrial führte weiter nach
Ridnaun. Dummerweise war dieser Trial teileweise weggeschwemmt, und so war noch
etwas Kraxelei von Nöten, um das Tagesziel um 19:30 Uhr zu erreichen.
Glücklicherweise ließ sich das Personal vom Sonklarhof von unserm etwas
runtergekommenen Erscheinungsbild und dem sicherlich etwas strengen Geruch
unserer Klamotten nicht abschrecken. Eine Angestellte des Hotels wagte es sogar,
trotz Warnungen unsererseits, sich mit uns in
einen winzig kleinen Aufzug zu zwängen. Tapfer und ohne Murren ertrug sie den
beachtlichen Gestank, als sich die Aufzugstür für die Fahrt über 3 Stockwerke
schloss.
Wir entschieden uns für Halbpension, was wir für einen guten Deal hielten.
Duschen und Wäschewaschen beanspruchte aber etwas mehr Zeit, als der Koch uns
gewähren wollte, und so klingelte bald das Telefon, um uns etwas Beine zu
machen.
Das Abendessen war dann aber wirklich gut. Man reichte Nudeln, Perlhuhn-Brüste
mit Wirsing und zum Nachtisch ein etwas durchgeknalltes After-Eight-Dessert.
Dazu ein Fläschchen Lagrein, und die Mühen des Tages waren erst einmal
vergessen… jedenfalls, bis wir im Treppenhaus auf dem Weg zu unseren Zimmern ein
merkwürdiges Stechen in den Oberschenkeln verspürten. Nur nichts anmerken lassen
und nahezu Elfengleich nach oben schweben war die Devise.
Zum Glück lief im Badezimmer die Heizung, die wir heute als Wäschetrockner
benutzten. Auch die Schuhe fanden dort einen Platz zum Trocknen, verbreiteten
dabei aber eine beeindruckende Duftwolke, die das Abschließen der Zimmertür
überflüssig machte.
Mittwoch, 13. Juli 2016, Ridnaun-Naturns
68.8 km, 1731 hm
Pünktlich
um 08:00 Uhr saßen wir beim Frühstück, froh darüber, dass Schuhe und Klamotten
trocken und der Himmel noch dicht waren. Zwar war die Wettervorhersage
im TV immer noch lausig, die Hotel-Zeitung sagte aber, wohl zur Besänftigung
abreisewilliger Gäste, Sonne voraus. Wir beschlossen, das Wetter der
Hotelzeitung zu glauben. Nach ausgiebigem Frühstück und Auschecken schwangen wir
uns in die Sättel, ich in meiner neuen, hellgrauen Boxershorts. Bis zum
Bergwerks-Museum geht problemlos und recht flach auf Asphalt flott voran. Ab
hier nimmt die Steigung zu, bleibt aber fahrbar. Auch die Boxershort schien
nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein, und so beschloss ich, es mal in
einer ziemlich knappen schwarzen Unterhose zu probieren. Prompt hing uns ein
bikender Rheinländer am Hinterrad, wohl in der Annahme, es handele sich um eine
Gay-Transalp. Nach ein paar Worten Smalltalk zog er keuchend davon, nur um ein
paar Meter später eine Pause einzulegen. Das hier im Rheinland übliche
Vortäuschen eines technischen Defektes bei schwindender Kondition ersparte uns
der Kerl allerdings. Trotzdem hab ich lieber wieder meine Shorts angezogen. Die
letzten 500 hm zur Schneebergscharte sind nur zu Fuß zu machen, zum großen Teil
mit dem Rad auf dem Rücken. Hier fing es auch an zu Nieseln, und es braute sich
wieder mal ein Gewitter zusammen. Blitz und Donner vertragen sich mit der
exponierten Lage der Schneebergscharte nicht besonders gut. Deshalb haben wir
uns zum Umziehen ein paar Meter abwärts bewegt. Den namensgebenden, schneeweißen
Marmorberg konnten wir wegen Nebel sowieso nicht ausmachen. Die Schneeberg-Hütte
allerdings haben wir wohl gesehen. Bis dahin waren es noch ca. 100 Höhenmeter
schieben bergab. In der Hütte orderten wir ein paar alkoholfreie Weizenbiere und
einen Schlag Nudeln. Gunther ließ sich auf eine Grundsatzdiskussion über
Radfahren in den Alpen mit zwei älteren Wandersdamen am Nebentisch ein. Diese
waren aber sehr friedlich. Weniger gut war allerdings die Auskunft des Wirtes,
dass das Eisjöchl, welches wir für den folgenden Tag geplant hatten, wegen
diverser Murenabgänge und Reparatur-Arbeiten am Weg bis in den Herbst für Biker
und Fußgänger gesperrt sei. Außerdem sagte der Wetterdienst Schnee bis auf 1800
m voraus. Unseren Schock versuchte der Wirt mit einem kleinen Schnäpschen aufs
Haus zu ersäufen. Erziehungsbedingt habe ich mir das nicht entgehen lassen.
Die
Abfahrt führt zunächst auf einem sehr steilen Schotterweg, dann auf einem gut
fahrbaren Wirtschaftsweg und zuletzt auf Straße nach Moos im Passeier. Von dort
rollten wir entspannt auf einem Radweg nach Meran, wo wir Kriegsrat hielten, um
zu diskutieren, wie die nächsten Tage zu gestalten wären. Erstmal besorgten wir
uns die benötigten Informationen. Dazu suchte Gunther einen Buchladen auf, um
dort in der Tageszeitung nach dem Wetter zu schauen. Ich wartete draußen und
rechnete eigentlich damit, dass sich die Security Gunther annahm. Das war zwar
nicht der Fall, aber die Wettervorhersage war extrem lausig, was dem Plan
„Eisjöchl“ vollends den Gar ausmachte. Zur weiteren Planung besorge Gunther noch
eine Kompass-Karte. In einem Café grübelten wir und beschlossen, erst einmal den
Etschtal-Radweg nach Naturns zu nehmen und dort zu übernachten. Dort wären wir
zwar wieder auf der originalen Route, aber die Etappen-Einteilung passte dann
hinten und vorne nicht mehr. Also entweder eine Trödel-Etappe einlegen, oder mal
so richtig reinhämmern. Welche der beiden Optionen wir nehmen würden, ließen wir
noch offen.
In
Naturns angekommen, deckte ich mich erst einmal mit Sprühpflaster ein, um meine
wundgescheuerten Oberschenkel zuzukleistern. Dann folgten wir den Wegweisern zur
Pension Astoria, wo wir uns wieder zwei Einzelzimmer gönnten.
Klamotten waschen und duschen geht deutlich fixer, wenn jeder sein
eigenes Badezimmer hat. Die nassen Klamotten durften wir im Heizraum des Hauses
aufhängen. Dieses Angebot nahmen wir auch wahr. Aus unbegreiflichen Gründen zog
Gunther es aber vor, seine kurze Regenhose auf dem Balkon zu trocknen, was gegen
später noch für Heiterkeit sorgen sollte. Zunächst aber machten wir uns gegen
19:00 Uhr auf, nach etwas Essbarem zu suchen. Zunächst hofften wir auf die
Fressstände des gerade laufenden Stadtfestes, aber da es mittlerweile lausig
kalt war, zogen wir es dann doch vor, ein Restaurant aufzusuchen. Die
unvermeidlichen Nudeln standen auch wieder auf dem Speiseplan. Nach dem Mahl
suchten und fanden wir noch eine Bar für einen Absacker, und kurz vor
Mitternacht verabschiedeten wir uns zur Nachtruhe. Als ich gerade ins Bett gehen
wollte, vernahm ich von draußen tumultartige Stimmen. Um der Sache auf den Grund
zu gehen, ging ich auf den Balkon meines Zimmers. Von dort konnte ich Gunther
erkennen. Offenbar hatte der Wind Gunthers Regenhose über die Balkonbrüstung
befördert. Auf der Suche danach hatte Gunthers Stirnlampe zuerst den Garten und
dann das Schlafzimmer der Wirtsleute in gleisendes Licht getaucht, worauf sich
die Wirtsleute im Adams-Kostüm daran machten, den vermeintlichen Einbrecher zu
verjagen. Unverrichteter Dinge hat sich Gunther dann über die Balkonbrüstung
zurückgezogen. Der Rest der Nacht verlief störungsfrei.
Donnerstag, 14. Juli 2016, Naturns-Male
89,5 km, 3442 hm
Gunther
hat sich beim Frühstück erstmal bei der zunächst ungläubigen Wirtin für die
nächtliche Ruhestörung entschuldigt. Diese ließ sich dann aber schließlich doch
überzeugen, nach der vermissten Hose Ausschau zu halten. Nach ein paar Minuten
kam sie sichtlich entspannter und von Gunthers Story überzeugt mit der Hose, die
sie mit einem Besenstil aus einem Lichtschacht geborgen hatte zurück. Um 09:00
Uhr verabschiedeten wir uns und machten uns an die Auffahrt zur Naturnser Alm.
Die umliegenden Berge waren bis weit herunter mit leichtem Schnee bedeckt, aber
jetzt schien die Sonne.
Die
Auffahrt zur Alm ist komplett fahrbar. Wir benötigten etwa zwei Stunden dafür,
und oben auf der Alm stärkten wir uns auf der noch mit Schneeresten bedeckten
Terrasse mit alkoholfreiem Weizenbier und ein paar Nudeln.
Noch immer wussten wir nicht so genau, wie wir die restliche Strecke am
schlauesten einteilen sollten. Der Blick zurück zum verschneiten Eisjöchl
bestärkte uns aber darin, dass die Entscheidung, ebendieses auszulassen, richtig
war. Also rollten wir zunächst ins Ultental. In einem Café in St Walburg fällten
wir die Entscheidung, heute nochmal so richtig ranzuklotzen und noch übers
Rabbi-Joch zu fahren. Das Wetter schien mitzuspielen, und zeitlich sollte das
auch gerade so hinhauen. Also auf ging’s auf Straße nach St Gertraud und von
dort teils fahrend, teils schiebend aufs Rabbi Joch. Am Anfang gönnten wir uns
noch ein paar Extra-Höhenmeter, weil wir uns etwas verfahren haben. Trotzdem
waren wir überraschend schnell auf dem Joch, wo es mit 8°C recht schattig war.
Wir schlappten ein paar Höhenmeter bergab zur Haselgruber Hütte, wo wir uns für
die Trial-Abfahrt mit einer Gerstensuppe stärkten. Kaum 500 Meter von der Hütte
hatte ich dann den ersten Plattfuß der Tour. Ich tauschte den Schlauch und
versuchte, mit meiner superleichten Mini-Pumpe etwas Luft in den Reifen zu
bekommen, während Gunther die Neugierigen Kälber, die versuchten, unsere Räder
einzusabbern, verscheuchte. Ich musste erkennen, dass meine Carbon-Pumpe nur
solange ein tolles Teil ist, solange man damit nicht Pumpen muss. Weil ich das
vor Gunther nicht zugeben wollte, hab ich es trotzdem probiert, aber richtig
prall wurde der Reifen damit nicht. Aus Angst vor einem
weiteren
Durchschlag bin ich aber nach ein paar Höhenmeter doch über meinen Schatten
gesprungen und habe mit Gunthers Pumpe nachgepumpt. Der Rest der Abfahrt verlief
dann auf dem fast durchgängig fahrbaren Trial ohne Zwischenfall. Allerdings
musste ich nach diesen langen Tag feststellen, dass die polsterlose Boxershorts
zusammen mit meinem steinharten Carbon-Sitzbrett kein allzu komfortables
Sitzmöbel ergab.
Endlich kamen wir um 20:00 Uhr in Male an. Wir waren ziemlich platt, aber stolz,
mit über 3400 Höhenmeter einen persönlichen Rekord aufgestellt zu haben. Wir
checkten gleich im Hotel Henriette in der Suite mit zwei Schlafzimmern ein. Wir
kannten den 70er Jahre Charme sowie die leicht angegammelt muffelnden Teppiche
des Hotels von früheren Touren, störten uns aber nicht weiter daran. Wäsche
waschen wurde heute auf ein Minimum reduziert, aber ich flickte zumindest noch
meinen kaputten Schlauch. Nach dem Duschen unter nicht wirklich warmem Wasser
machten wir uns auf die Suche nach der Pizzeria, die wir immer aufsuchen, wenn
wir in Male sind. Auch diesmal waren wir wieder mit der dort gebotenen Qualität
zufrieden. Zurück im Hotel gönnten wir uns noch einen kleinen Absacker an der
Hotelbar und lauschten den Ausführungen der sehr gesprächigen Bardame. Todmüde
sind wir danach in die Kojen gefallen.
Freitag, 15. Juli 2016, Male-Molveno
88,6 km, 2992 hm
Eigentlich
wollten wir uns heute eine kurze Rentner-Etappe gönnen. So ließen wir uns mit
dem Frühstück Zeit, obwohl dieses wie erwartet lausig war. Beim Hochgehen in die
dritte Etage stellten wir fest, dass die Oberschenkelmuskulatur sich noch nicht
vollständig von der gestrigen Etappe erholt hatte. Aber draußen schien die
Sonne. Erst gegen 10:00 Uhr rollten wir Richtung Dimaro. Noch in Male besorgte
ich einen zweiten Ersatzschlauch, man weiß ja nie…
Von Dimaro nach Madonna di Campiglio führt eigentlich ein sehr schöner Weg.
Diesen haben wir zunächst auch eingeschlagen. Ein Wegsperrungs-Schild recht weit
unten haben wir ignoriert, zwei Kilometer später zeigte sich aber, dass es sich
bei dem Schild nicht um einen Scherz handelte. Schweres Gerät blockierte den
Weg, und ein Vorbeikommen war unmöglich. Wir entschlossen uns nach einem Blick
auf die Karte, diese Stelle auf der parallel verlaufenden Straße zu umfahren.
Das kostete zwar ein paar Höhenmeter, es gab aber keine sinnvolle Alternative.
Zurück auf dem Weg folgten wir diesem bis zum Abzweig zum Rifugio Graffer. Auf
der Familien-Abfahrt der Skipiste kurbelten und schoben wir bis zum Rifugio, wo
wir uns mit Nudeln und Getränken stärkten. Obwohl es in der Hütte nicht kalt
war, froren wir beide wie die Schneider, wohl weil wir beide ziemlich erledigt
waren. Die letzten 200 Höhenmeter
bis zum Pso Groste schoben wir komplett. Von dort hat man einen tollen Blick
über die Brenta, was eines meiner Lieblingsbergmassive in den Alpen ist. Nur ein
Fahrrad braucht man hier eigentlich nicht…
Das
bestätigte auch die 2-stündige Schiebepassage bergab Richtung Tovel-See. Da wir
diesen Teil aber schon von einer früheren Tour kannten, waren wir nicht
überrascht. Die letzten Kilometer zum Tovel-See sind dann wieder fahrbar. Da wir
gut in der Zeit lagen und uns auch recht gut fühlten, beschlossen wir hier,
heute noch bis Molveno durchzukeulen, um so die morgige Abschlussetappe ganz
entspannt angehen zu können. Das für Montag gebuchte Shuttle haben wir gleich
von hier aus auf Sonntag umgebucht. Allerdings entscheiden wir uns für die
Straßen-Variante, weil die Offroad-Variante einen extrem hohen Schiebe-Anteil
hat. Geschoben haben wir heute aber schon mehr als genug. Also rollten wir auf
der Straße hinunter nach Tuenno. Auf dem Weg dahin quittierte eine Speiche von
Gunthers Hinterrad mit lautem Knall ihren Dienst und hinterließ ein beachtlich
eierndes Laufrad. Vorsichtig rollten wir weiter über Terres, Flavon, Campodenno
nach Spormione auf der Stanicu-Route „Transalp Via Claudia schwer“. Wir
versuchten noch ein paar Höhenmeter einzusparen, indem wir uns möglichst hoch
auf dem Weg zur Straße nach Andalo hielten. Das hat aber nicht wirklich
geklappt. Egal, zumindest haben wir uns abseits der Straße bewegt.
In Spormaggiore trafen wir auf die Hauptstraße nach Andalo. Diese ist
normalerweise recht stark befahren, aber da es schon recht spät war, war das
Verkehrsaufkommen diesmal gut erträglich. Wir mobilisierten nochmal die
verfügbaren Kräfte und keulten die Passstraße hoch. Ab Andalo rollten wir dann
gemütlich abwärts nach Molveno, wo wir gleich im Hotel Dolomitti eincheckten,
allerdings diesmal im Doppelzimmer. Nach dem Duschen baten wir das
Hotelpersonal
um eine zweite Decke, sodass jeder von uns seine eigene hatte. Glücklicherweise
hat man dann auch gleich das Doppelbett in zwei einzelne Betten geteilt, während
wir uns ins nahegelegene Restaurant aufmachten, wo wir sehr gut aßen, einen
guten Wein tranken und den tollen Service genossen. Obwohl wir reichlich
geschafft waren, fanden wir, dass ein Absacker noch drin wäre. Die Hotelbar
hatte schon zu, aber vom Seeufer hörten wir noch Musik. Also nichts wie hin. Vor
Ort beschallten ein Gitarrist und eine Sängerin mit eher mittelmäßiger Stimme,
dafür aber mächtig Dampf im Arsch die Kneipe. Einige durchaus beindruckende
Dorfschönheiten versuchten nach Kräften, tanzenderweise die anwesenden
gleichaltrigen Burschen für sich zu interessieren. Diese beschäftigten sich aber
lieber mit ihren Smartphones. Wir waren uns einig, dass uns das vor 30 Jahren
sicher nicht passiert wäre. Die Musik und die gebotene Show animierten uns, ein
paar Drinks mehr als geplant zu konsumieren. Etwas angeschlagen machten wir uns
um 0:30 Uhr auf den Weg zum Hotel.
Samstag, 16.11.2016, Molveno-Torbole
53,7 km, 457 hm
Wir verzichteten darauf, den Wecker zu stellen. Die für heute geplante
Reststrecke war recht kurz. Das Frühstück war italienisch-lausig, und der Kaffee
war kaum trinkbar. Auch der auf Anfrage extra in der Küche bereitete Cappuccino
war nicht viel besser. Aber das konnte unsere Laune nicht beeinträchtigen. Die
Sonne schien, und heute ging es an den Gardasee.
Um 10:00 Uhr fuhren wir los. Gunther hatte Bedenken wegen seinem
angeschlagenen Hinterrad, aber wir nahmen trotzdem die Offroad-Varianten am
Westufer des Molveno-Sees. Allerdings waren dort derartig viele Wanderer
unterwegs, dass ein schnelles Vorankommen sowieso unmöglich war.
Auf
einer schönen Panorama-Straße fuhren wir nach Ranzo und von dort auf einer sehr
steilen Abfahrt, die unsere Bremsen nochmal so richtig zum Jaulen brachte,
hinunter zum Lago die Toblino. Von dort radelten wir entspannt, bei 32°C und
Rückenwind auf einer kleinen Landstraße entlang des Lago di Cevedine und
schließlich auf dem Radweg entlang der Sarca nach Torbole. Dort haben wir gleich
im Surfers Grill einen Tisch fürs Abendessen reserviert. Die Hotelsuche war
heute nicht so einfach wie die Tage zuvor, aber nach 3 Versuchen haben wir
schließlich doch wieder im Hotel Geier eingecheckt, wo wir das letzte
Doppelzimmer ergatterten. Jetzt, da alles erledigt war, radelten wir nach Riva,
um das traditionelle Finisher-Bier (oder zwei) am Hafen zu trinken. Gunther
hüpfte noch kurz in den noch recht kühlen Lago, und ein paar Nudeln waren auch
noch drin. Nach dem obligatorischen Abschlussbild am See fuhren wir zurück zum
Hotel. Nach dem Duschen wollte Gunther noch Shoppen gehen, während ich kurz
Schwimmen ging. Da wir nur einen Zimmerschlüssel hatten, verabredeten wir uns im
Biergarten vor dem Hotel. Allerdings ist Gunther im Zimmer eingepennt, während
ich unten wartete. Ein Zweitschlüssel von der Rezeption löste das Problem.
Da wir etwas früh dran waren, löschten wir unseren Durst noch in einer Taverne,
bevor wir uns zum Surfers Grill aufmachten. Man wies uns einen Platz neben zwei
Bergsteigerinnen aus Salzburg zu, mit denen wir uns auch gut unterhalten haben,
nicht ohne in das eine oder andere Fettnäpfchen zu treten. Das Essen war diesmal
wieder deutlich besser als das letzte Mal und zumindest ich war zufrieden. Auf
der Suche nach dem traditionellen Abschluss-Caipirinha
(http://de.wikipedia.org/wiki/Caipirinha) schlappten wir in zur Wind’s Bar. Dort
war es uns aber deutlich zu laut und zu voll. Wir zogen deshalb ein Radler am
See-Ufer vor.
Sonntag, 17.11.2016, Rückreise
Um 6:40 Uhr klingelte der Wecker. Jetzt noch duschen und frühstücken auf der
sonnigen Terrasse mit Ausblick auf den See und die sonnige Via Ponale…
Um
07:45 standen wir abfahrtsbereit am vereinbarten Treffpunkt mit dem
Shuttle-Service. Die vielen Radler und deren Ausrüstung musste nun möglichst
sinnvoll auf die drei Shuttle aufgeteilt werden, was etwas chaotisch von Statten
ging. Schließlich wurde aber auch diese Herausforderung bewältigt um kurz nach
08:00 Uhr setzte sich der Tross in Bewegung. Gunther ließ sich vom Kutscher
zutexten, ich habe lieber versucht, etwas zu schlafen. Nach einen etwas längeren
Boxenstopp an einer Brenner-Raststätte, der erst widerwillig beendet wurde, als
Gunther zum Aufbruch mahnte, erreichten wir gegen 11:30 Uhr Innsbruck. Wir
radelten zum Hauptbahnhof und nahmen die nächste Regionalbahn nach Schwaz, wo
wir um 12:45 Uhr ankamen. Die Rückreise nach Ulm dauerte etwas länger, weil das
Verkehrsaufkommen um München recht hoch war. Trotzdem bin ich um 16:00 Uhr dort
angekommen. Auch Gunther hat es einigermaßen problemlos nach Hause geschafft.
Fazit
Auch
diese Tour war wieder voller Erlebnisse und Herausforderungen. Schade, dass auch
der zweite Anlauf, das Eisjöchl zu befahren, gescheitert ist. Ansonsten hatten
wir zwar etwas Regen, aber die apokalyptischen Vorhersagen des
Bergwetterdienstes sind glücklicherweise nicht eingetroffen.
Das Höhenprofil
Die nackten Zahlen:
Verwendete Karten:
Stand: 04.04.2018