Salzburger Nockerl Tour 2019
1.9. – 6.9.2019
Salzburg (A) – Millstatt (A)
347 km, 9026 hm, 5.5 Etappen
Auch
dieses Jahr sind wir wieder mit unseren Fahrrädern in die Alpen aufgebrochen.
Nachdem wir die letzten beiden Jahre die westlichen Alpen unsicher gemacht
haben, wollten wir dieses Jahr die östlichen Alpen unter die Stollenreifen
nehmen. Relativ frühzeitig haben wir uns auf die „Salzburger Nockerl“- Tour von
Uli Stanicu geeinigt. Neben Gunther und mir konnte sich dieses Jahr auch Seppl
für die Tour begeistern.
Wegen der einfacheren Logistik am Rückreisetag haben wir aber darauf verzichtet,
die Tour in Slowenien zu beenden. Stattdessen haben wir die letzten beiden Tage
so umgebaut, dass der Endpunkt in Millstatt lag. So konnten wir einfach und ohne
Umsteigen mit der Bahn zurück nach Salzburg zuckeln.
Ein weiterer Grund für diese Revierwahl war, dass schon recht früh absehbar war,
dass es wohl mit Gunthers und meiner Fitness beim Tourstart nicht weit her sein
würde. Da auch Seppl durch einen Mittelfinger-Amputations-Versuch mit seiner
neuen Kreissäge vorbereitungsmäßig zeitweise eingeschränkt war, konnten wir uns
schnell auf eine vergleichsweise softe Tour einigen.
Die Nockberge sind weniger schroff als die Dolomiten oder die Seealpen und
dementsprechend erwarteten wir auch weniger Schiebe- und Tragepassagen, was
meinem beidseitigen Tennisarm, den ich mit enorm kleidsamen Bandagen den Garaus
machen wollte, guttun sollte.
Der Wetterbericht für das Nockberg-Gebiet sagte apokalyptische Regenfälle und
einen dramatischen Temperatursturz mit Schneefallgrenze um die 1500 m pünktlich
zum geplanten Tourstart und während der kompletten Tourwoche voraus. Deshalb
habe zumindest ich meinen Gewichtswahn betreffend des Gepäcks über Bord geworfen
und noch ein paar Extra-Regenklamotten eingepackt. Bei der Mörderwampe, die ich
dieses Jahr über die Alpen zu schleppen gedachte, kam es auf ein paar hundert
zusätzliche Gramm im Rucksack wirklich nicht an.
Anreise/Erste Etappe, 01. September 2019
Salzburg – Krispl, 24.5 km, 551 hm
Der Plan war, am Anreisetag noch eine kurze Etappe zu fahren, um dem städtischen
Ambiente von Salzburg zu entfliehen. Dazu wollten wir uns um 15:30 Uhr auf einem
bewachten aber nicht kostenfreien Park&Ride Parkplatz im Salzburger Süden
treffen. Gunther holte zuvor Seppl zuhause ab, und ich reiste aus Ulm an.
Durch den üblichen Stau auf der A8 rund um Rosenheim verzögerte sich Gunthers
und Seppls Ankunft um eine halbe Stunde. Um 16:00 Uhr trudelten die beiden dann
ein, und nachdem das Equipment ausgeladen war, waren Mensch und Maschine gegen
16:30 Uhr bereit, die Mission „Salzburger Nockerl“ anzugehen.
Der meteorologische Weltuntergang war für 18:00 Uhr angekündigt, deshalb
entschieden wir uns für die etwas kürzere Variante. Wir hofften, die 24 km und
550 Höhenmeter in den verbleibenden 90 Minuten hinter uns zu bringen und rollten
zunächst flott auf dem Alpe-Adria-Radweg entlang der Salzach Richtung Süden. In
Hallein überquerten wir die Salzach und fuhren auf Landstraße bergan nach
Krispl, wo wir um 17:45 Uhr trocken und bei Sonnenschein beim Krispl-Wirt
ankamen. Am Stammtisch im zugehörigen Biergarten saßen einige in die Jahre
gekommenen Dorfrocker und bewachten ihre in Sichtweite geparkten Motorräder. Wir
gönnten uns dort noch ein erfrischendes Hopfengetränk. Nebenbei studierten wir
gleich die Speisekarte und bestellten das Abendessen, damit die Küche werkeln
konnte, solange wir uns der Körperpflege widmeten.
Ich wurde für die Nacht in ein Einzelzimmer verbannt, weil Gunther meinte, das
wäre seiner Nachtruhe zuträglich. Mir sollte es recht sein, so musste ich die
Dusche mit niemand teilen.
Da es draußen noch nicht regnete, setzten wir uns zum Abendessen wieder in den
Biergarten. Das Essen und der blaue Zweigelt waren recht gut. Die immer dunkler
werdenden Wolken motivierten die Dorfrocker vom Stammtisch dazu, ihre Boliden zu
starten und von dannen zu ziehen. So konnten wir an den überdachten Stammtisch
umziehen, bevor der vorhergesagte Platzregen einsetzte. Die beeindruckende und
unvermeidliche Schinkenplatte, die wir im Anschluss an das Abendessen mit ein
paar Gläsern Rotwein runterspülten, nahmen wir dann allerdings im Gastraum zu
uns, bevor wir uns um 22:30 Uhr in unsere Gemächer verzogen. Ich für meinen Teil
habe trotz dem lauten Prasseln des starken Regens auf dem Blechdach sehr gut
geschlafen.
Zweite Etappe, 02. September 2019
Krispl
- Annaberg, 57.7 km, 1605 hm
Wir trafen uns um 08:30 Uhr zum Frühstück. Auch die beiden anderen hatten
anscheinend eine ruhige Nacht verbracht und beschwerten sich lediglich über das
6-Uhr Gebimmel der Kirchenglocke, die sich in unmittelbarer Nähe nach Kräften
bemühte, das ganze Dorf zu wecken. Das sehr gute Frühstück nahmen wir unter den
Ausführungen des redseligen Wirts zu uns, der uns im Anschluss die recht
saftige, aber gemessen an dem üppigen Abendessen angemessene Rechnung
präsentierte.
Angesichts des regnerischen Wetters lies unsere Motivation noch etwas zu
wünschen übrig, und so dauerte es bis 10:00 Uhr, bis wir endlich losradelten.
Zunächst mussten wir ein paar Höhenmeter auf Asphalt hinunter nach Ödenreit
vernichten. Alle Dorfbewohner, die die Kirchenglocken verschlafen hatten,
standen jetzt sicher ob des infernalischen Quietschen von Gunthers
Scheibenbremse senkrecht in den Betten. Die mörderische Geräuschkulisse wurde
durch ein zaghaftes „Pling“ ergänzt. Die Ursachenforschung beim nächsten Stopp
ergab, dass eine Speiche an Gunthers Hinterrad den Dienst quittiert hatte und
aus dem Hinterrad ein beachtliches, aber noch fahrbares Ei geworden war. Leider
gehören Ersatzspeichen für ausgefallene Systemlaufräder nicht zum
standartmäßigen Bestand dörflicher Fahrradhändler, und so mussten wir einfach
hoffen, dass die restlichen Speichen für den verbleibenden 95% der Tour halten.
Noch ein paar hundert Meter folgten wir der Landstraße, bevor wir auf einem
Schotterweg 600 komplett fahrbare Höhenmeter angingen. Auch die folgende
Schotterabfahrt stellte keine allzu große Herausforderung dar. Etwas besorgt
blickten wir allerdings ab und zu auf Gunthers eierndes Hinterrad. Auf dem
Forstweg war der eine oder andere Bagger zugange und damit beschäftigt, die
Erosion-Schäden der vergangenen Nacht zu beseitigen. Jetzt regnete es zum Glück
nicht mehr so stark
und
die letzten 300 Höhenmeter fuhren wir auf einem kleinen Landsträßchen zum
Dolomitenhof in Annaberg. Wir freuten uns schon auf die warme Gaststube, als wir
um 15:00 Uhr ankamen. Leider war die Tür verschlossen und sollte erst in zwei
Stunden geöffnet werden. Da das Hotel ziemlich außerhalb liegt, bemühten wir
moderne Kommunikationsmittel, um eine Lokation ausfindig zu machen, wo wir die
nächsten Stunden totschlagen konnten. Wir hatten unsere Wahl gerade getroffen,
als einer der Kellner vom Joggen zurückkam und anbot, den Wirt zu wecken um uns
Einlass zu gewähren. Das hat zum Glück geklappt, und während der Wirt die Sauna
anfeuerte, genehmigten wir uns ein Bierchen in der Gaststube.
Ich
bin zwar überhaupt kein Sauna-Fan, aber ich hoffte, dass die Wärme eventuell
meinen Tennisarmen guttun würde, deshalb beschloss ich, es mal zu versuchen.
Aber schon beim Öffnen der Tür war mir klar, dass das nichts wird. In der Kabine
herrschten Temperaturen, die ich nicht einmal einem Lammbraten zumuten würde.
Gesund kann das sicher nicht sein, deshalb habe ich nach geschätzten 5 und
gefühlten 50 Minuten die Kabine verlassen und mich unter die kalte Dusche
gestellt. Gunther und Seppl haben sich noch ein oder zwei Gänge gegönnt.
Um 18:00 Uhr trafen wir uns zum Essen, worin ich um Welten besser bin als im
Saunasitzen. Uns stand der Sinn nach einem warmen Süppchen zu Vorspeise. Der
bestellte Altwiener Suppentopf wurde in einem gigantischen Behältnis angeliefert
und beinhaltete alles, was man so in eine Suppe werfen kann, inklusive einem
fast kindskopfgroßen Leberknödel. Geschmeckt hat das Monstrum super.
Spaghetti mussten danach aber zwecks Kohlenhydratnachschub trotzdem noch sein.
Das geplante Schnitzel passte aber beim besten Willen nicht mehr rein und wurde
zugunsten von Kaiserschmarrn und Topfenstrudel vertagt. Dazu gab es ein paar
Gläser Zweigelt. So politisierten
wir bis 22:00 Uhr über die beiden globalen Lachnummern Trump und Brexit und
verzogen uns dann in unsere Zimmer. Auch diese Nacht würde ich wieder in einer
Einzelzelle untergebracht.
Dritte Etappe, 03. September 2019
Annaberg - Mautendorf, 74,8 km, 2049 hm
Überraschenderweise schien draußen die Sonne und man konnte vom Zimmerfenster
aus den Dachstein sehen. Ob der am Vortag auch schon da war kann ich nicht
sagen. Sichtbar war er da jedenfalls noch nicht.
Um 08:30 Uhr trafen wir uns zum Frühstück, welches recht üppig war. Am
Nebentisch diskutierte der Wirt mit dem Bürgermeister die wirtschaftliche Bilanz
des Hotels in einer Lautstärke, dass der gesamte Gastraum über die finanziellen
Engpässe des Hotels informiert wurde.
Offenbar
war nun auch Seppl wegen nächtlicher Ruhestörung bei Gunther in Ungnade
gefallen, deshalb meldete Gunther für die nächste Nacht den Wunsch auf ein
Einzelzimmer an.
Um 09:30 Uhr waren wir abfahrtbereit und wegen des unerwartet guten Wetters auch
motiviert für die dritte Etappe. Zunächst fuhren wir ein paar Höhenmeter bergab
auf einem asphaltierten Sträßchen und bogen dann rechts ab, um die erste
Steigung des Tages anzugehen. Das Ei in Gunthers Hinterrad schien über Nacht ein
bisschen schlimmer geworden zu sein. Das bestätigte sich, da der Umwerfer am
Hinterrad streifte, wenn Gunther auf dem kleinsten Kettenblatt fuhr. Dieses
brauchte er aber für die jetzt folgende, recht steile Schotterauffahrt. Um diese
nicht auf dem mittleren Blatt hochkeulen zu müssen, hat Gunther das Hinterrad
dann schief eingespannt und den Bremssattel entsprechend neu justiert. Das
schien für den Moment gut zu funktionieren. Nur schlimmer werden durfte das Ei
jetzt nicht mehr. Bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen
surften wir auf Schotter etwas auf und ab. Bei einer Pinkelpause neben einem
„Fahrradfahren verboten“ Schild fühlte sich ein auf einem eBike mit Anhänger
vorbeifahrender Bergbauer genötigt, uns ein lautes „Schiffen verboten“
zuzurufen. Auf der folgenden Schotterabfahrt haben
wir
ihn wieder eingeholt, als der Vogel sich bemühte, die im Anhänger befindliche
Motorsense nicht zu verlieren.
Unten in Warterdorf kehrten wir im Gasthof Brunner ein und stärkten uns mit
Nudeln und Getränken für die kommende, recht steile Schotterauffahrt, die sich
über 1100 Höhenmeter erstreckt. Die Auffahrt war komplett fahrbar und so kamen
wir relativ flott oben an der Oberhütte am See an und gönnten uns auf der
idyllischen Sonnenterasse Topfenstrudel, Buttermilch und alkoholfreies
Edelweiß-Weizen.
Danach radelten wir weiter auf einem Wiesentrial, vorbei am wohl für die Hütte
namensgebenden See. Das Wetter war immer noch super, aber unsere Laune wurde
etwas getrübt, als wir erneut an einem Fahrrad-Verbotsschild vorbeikamen. Dieser
Grundbesitzer schien es damit ziemlich ernst zu meinen, und dass nicht gleich
mit Erschießung gedroht wurde, war auch alles. Sei’s drum, es gab sowieso keine
Alternative. Die ersten 200 hm abwärts mussten wir sowieso schieben, und das
sollte ja gestattet sein. Dann allerdings folgte eine kilometerlange
Schotterabfahrt durch ein schönes, aber für Radfahrer verbotenes Tal. Wir
versuchten uns möglichst unauffällig zu bewegen, aber einem in einem etwas
angegammelten SUV lauernden Rentner blieb unser illegales Treiben nicht
verborgen. Zu mehr als ein paar erbosten Lichtsignalen hat dieser sich aber
nicht hinreißen lassen.
Das Hotel Neuwirt in Mautendorf war dank Navi schnell gefunden. Die mit
osteuropäischen Akzent redende, sehr nette Wirtin Theresa begrüßte uns mit
Handschlag und wies uns gleich unsere Gemächer zu.
Für das Hotel war schon Nebensaison, deshalb waren wir fast die einzigen Gäste
in dem recht großen Hotel. Zudem wurde ein Teil des Hotels gerade renoviert.
Deshalb blieb die Küche des Hotels kalt. Das war aber nicht weiter schlimm, weil
das schicke historische Stadtzentrum mit ausreichend Gastronomie fußläufig
schnell zu erreichen war. Dorthin machten wir uns nach dem Duschen und
Wäschewaschen auch gleich auf. Unsere Wahl fiel auf die Pizzeria „1619“, deren
Ambiente uns ansprach. Der Wirt wies uns gleich einen Tisch zu. Nudeln, Pizza,
Rotwein und ein Schnäpschen sorgten für ein angenehmes Völlegefühl und gute
Laune beim Wirt.
Zurück im Hotel schalteten wir noch kurz die Glotze ein und erfreuten uns an
BoJo’s erster Abstimmungsniederlage als Premierminister im Britischen Parlament.
Vierte Etappe, 04. September 2019
Mautendorf - Millstatt, 77,8 km, 2032 hm
Wir verbrachten eine angenehme Nacht und Gunther genoss sein Einzelzimmer.
Draußen schien noch die Sonne und Theresa fuhr zum Frühstück alles auf, was man
sich so wünschen kann. Nach wie vor waren die Wetterfrösche betreffend der
Wetterlage extrem pessimistisch und wir dachten während des Frühstücks darüber
nach, ob wir die Tour nicht umbauen sollten, um Höhenlagen über 1500 Meter
möglichst zu umfahren, da für diese Höhen Schnee vorhergesagt war. Allerdings
hatten wir für die gesamte Tour die Übernachtungen vorgebucht und die
Stornierungsfrist war schon lange abgelaufen. Also beschlossen wir, die
Arschbacken zusammenzuklemmen.
Noch
schien ja die Sonne. Zunächst rollten wir ein paar Kilometer auf einer leider
stark befahrenen Straße Richtung dem Flüsschen Mur. Der Versuch, dem Verkehr zu
entrinnen, mündete mitten in einem riesigen Sägewerk, aber wir haben dann doch
den Mur-Radweg erreicht, auf dem wir gemütlich flussaufwärts durch das
idyllische Mur-Tal rollten.
Es folgte eine ziemlich steile Schotterauffahrt über 800 Höhenmeter. Dort war
Radfahren sogar ausdrücklich erlaubt. Die Auffahrt war fast durchgehend fahrbar,
nur die letzten 100 Höhenmeter mussten wir auf einem etwas verblockten Trial
schieben. Die anschließende Abfahrt zum Katschbergtunnel war komplett fahrbar.
Unten angekommen hielten wir Kriegsrat und beschlossen doch noch zu versuchen,
die Tour umzubauen. Nach ein paar Telefonaten mit dem für die Nacht geplanten
Hotel und booking.com gelang es tatsächlich, das Hotel für die nächste Nacht
kostenlos zu stornieren. Der neue Plan war, anstatt in Gmünd zu übernachten
heute noch bis Millstatt zu fahren und die Schleife für die folgenden beiden
Tage in umgekehrter Richtung zu fahren. Damit mussten wir den höchsten Übergang
nicht mehr ausgerechnet an dem Tag fahren, an dem das Wetter am schlechtesten
sein sollte.
Zufrieden sattelten wir wieder auf, aber nur ein paar Kilometer später in
Katschberg meldete Seppl einen gerissenen Schaltzug. Vor dem Hotel Hinteregger
in Katschberg wechselten wir das defekte Teil aus und verloren nicht viel Zeit.
Auf Straße fuhren wir weiter nach Gmünd, direkt unter den beeindruckenden
Viadukten der Katschberg-Autobahn.
Während der folgenden 1100 Höhenmeter Auffahrt auf einem Schotterweg und bei
tollem Wetter kamen wir nochmal mächtig ins Schwitzen. Auf dem Navi konnten wir
sehen, dass wir uns direkt über der Autobahn befanden, die hier mitten durch den
Berg führt.
Oben angekommen bewunderten wir den tollen Ausblick auf den Millstätter See und
die Karawanken in der Ferne dahinter. Lange widerstanden wir aber nicht der
Verlockung, zur Millstätter Hütte auf 1880 m hinunterzurollen. Die Kulinarik hat
wieder mal über die Romantik gesiegt. Die leckere Suppe und das Radler auf der
Sonnenterrasse war es allemal wert und zudem stärkte es für die steile Abfahrt,
welche zunächst auf Schotter, später dann auf Asphalt die Bremsen nochmal so
richtig zum Glühen brachte. Meinen Tennisarmen schmeckte die Bremserei gar
nicht.
Wir steuerten gleich die Touristeninfo in Millstatt an. Die hatte aber schon
geschlossen, deshalb versuchten wir einfach im Hotel Sedlak, das wir für die
letzte Nacht der Tour reserviert haben, eine Bleibe für die Nacht zu bekommen.
Gunther hat mit dem Rezeptionspersonal verhandelt und das letzte Appartement
ergattert. Zwar war Gunthers Schlaf-Kabuff unter der Dachschräge nur durch ein
hüfthohes Loch in der Wohnzimmerwand zugänglich, aber für eine Nacht sollte das
reichen. Ansonsten waren wir mit der Ausstattung des Domizils sehr zufrieden.
Vom Balkon des Appartements hatte man einen tollen Blick auf den See, der zum
Baden einlud. Dieser Einladung folgten wir auch gleich und hüpften am
hoteleigenen Badestrand ins kühle Nass. Wir waren die einzigen Badegäste und
hatten die Badeinsel für uns alleine.
Bevor
wir uns per pedes in die Stadt aufmachten, stand noch Duschen und Klamotten
waschen auf dem Programm. Das Ziel des Fußmarschs war das Restaurant L’Onda, das
im Badehaus direkt am See über eine schmucke Terrasse verfügt und im Internet
überwiegend gute Rezensionen vorweisen kann. Auf der Terrasse genossen wir beim
Sonnenuntergang saures Rindfleisch, Nudeln, Bier und die Aussicht auf den See,
die Berge und die Sauna-Flitzer, die im Außenbereich des Badehauses versuchten,
ihre Körpertemperatur wieder auf einen lebenswerten Level zu bringen. Als die
Sonne gänzlich hinter den Bergen verschwunden war, wurde es uns aber auf der
Terrasse kühl und wir verzogen uns zum Schnitzelgang nach drinnen.
Auf der Uferpromenade dackelten wir zurück zum Hotel. Von dem angekündigten
Regen war nach wie vor nichts zu sehen. BoJo’s zweite Abstimmungsniederlage
nahmen wir im TV noch kurz zur Kenntnis, bevor wir uns zur Ruhe betteten.
Fünfte Etappe, 05. September 2019
Millstatt - Weißensee, 67,8 km, 2227 hm
Wie üblich machten wir uns um 08:30 Uhr auf zum Frühstück. Draußen schien schon
die Sonne über dem See, von der angekündigten meteorologischen Apokalypse war
weit und breit nichts zu sehen. Um 09:45 Uhr radelten wir los zum Fähranleger,
weil wir den See mit der Fähre überqueren wollten. Fast pünktlich legte die
Nussschale namens Peter Pan am Anleger an, und angesichts der Größe des Bötchens
waren wir froh, dass außer uns nur noch eine Hand voll Touristen die Überfahrt
wagen wollten.
Die kurze Fahrt zur auf der gegenüberliegenden Seeseite gelegenen Schloßvilla
war mit 4 Euro pro Nase erschwinglich. Auf einem kleinen Sträßchen fast ohne
Autoverkehr strampelten wir hoch nach Burgbichl, weil die eigentlich geplante
Strecke wieder mal durch ein Verbotsschild für Radfahrer gesperrt war. Bevor es
richtig bergauf ging, mussten wir noch über die Drau und die Autobahn, dann
folgte mit 1600 Höhenmeter die längste Bergwertung der Tour. In Zlan zweigt die
kleine Straße hoch zum Goldeck von der Hauptstraße ab. Die Sonne schien und es
war mächtig warm. Zum Schwitzen brachten uns auch die zahllosen meist
übergewichtigen und betagten Harley-Rocker, die ohne ausreichendes Fahrkönnen
versuchten, ihren glitzernden und dröhnenden Kernschrott aus Milwaukee um die
Spitzkehren zu bugsieren. Midlife-Crisis kann echt schlimme Auswüchse haben.
Wir habe es trotzdem geschafft, unfallfrei an der Mahderhütte anzukommen, wo wir
einige Kaltgetränke in uns reinschütteten und uns dazu einen Kärntener Snack
gönnten, während einige Hühner unter dem Biertisch darauf hofften, dass für sie
etwas übrigbleibt. Netterweise gab es für jeden Radler in der Hütte ein
Freigetränk. Ein paar hundert Höhenmeter auf Schotter zum Goldeck-Gipfel hatten
wir noch vor uns, aber wenigstens blieben wir dort von den Harleys verschont.
Die Aussicht vom Goldeck über den Millstätter See ist sowieso eindrucksvoll,
wurde aber durch die sich am Horizont auftürmenden schneeweißen Kumuluswolken
noch spektakulärer.
Zurück ging es auf dem gleichen Schotterweg hinunter zur Straße, auf der wir
etwa zwei Kilometer hinunterrollten, bevor unser Forstweg rechts abbog.
Natürlich befand sich auch hier das obligatorische Verbotsschild für Radfahrer,
aber da es sowieso keine brauchbare Alternativstrecke gab, erübrigte sich jede
Diskussion. Es lief auch ganz gut und wir begegneten niemand, bis wir am Ende
des Schotterwegs einen Bauernhof, und schlimmer noch, zwei aufgebrachte und
freilaufende Hunde erblickten.
Was
Hunde angeht, bin ich bekanntermaßen ein mords Schisser, und Gunther kann man
diesbezüglich auch nicht gerade als Held bezeichnen. Zum Glück war dieses Jahr
Seppl dabei. Ich versuchte deshalb, meine Fahrspur so zu wählen, dass sich Seppl
zwischen meinen Waden und den Bestien befand. Gunther wählte eine etwas andere
Überlebens-Strategie. Er stieg ab und schützte seine Gräten mit seinem Fahrrad,
das er langsam neben sich herschob. Beide Strategien gingen zum Glück auf und
wir schafften es ohne Bisswunden auf das rettende Asphaltsträßchen, das uns
hinunter ins Weißenbachtal brachte. Dort konnte ich auch endlich meinen vom
Bremsen schmerzenden Unterarme eine kleine Pause gönnen. Ein kurzes Stück
mussten wir auf der Straße absolvieren, wo uns die Harley-Hirnis wieder
begegneten. In Weißenbach bogen wir von der Straße auf einen Schotterweg ab, der
entlang des Tscherniheimer Bachs durch ein schmuckes Tal relativ sanft 400
Höhenmeter bergauf führt, vorbei an den Resten historischer Glashütten. Eine
letzte kurze Schotterabfahrt mussten wir noch hinter uns bringen, dann öffnete
sich der Blick auf den Weißensee, der glitzernd in der Nachmittags-Sonne dazu
einlud, reinzuspringen. Wir wollten aber zuerst unsere Zimmer im Hotel Moser
beziehen. Da das Hotel die mit Abstand teuerste Bleibe der gesamten Tour war,
waren unsere Erwartungen hoch. Um es kurz zu machen, das Hotel Moser konnte
unseren Erwartungen in keiner Weise gerecht werden, und sauber war es auch nicht
gerade.
Wie
auch immer, wir haben uns gleich Bademantel und Schlappen geschnappt und uns zur
hoteleigenen Badestelle begeben. Seppl machte sich noch etwas über die
Kombination meiner Latschen und dem Bademantel lustig, da diese offenbar nicht
seinem Modeideal entsprach, aber mir war’s egal.
Der Weißensee wirbt mit der Behauptung der sauberste Badesee der Alpen zu sein.
Das mag auch bis zu unserer Badeaktion richtig gewesen sein, danach allerdings
wird der See sicher einige Jahre benötigen, um die ursprüngliche Wasserqualität
wiederherzustellen.
Seppl und Gunther wollten nach dem Bad im See noch in die Sauna. Diese war aber
nicht geheizt. Lediglich ein Dampfbad war einsatzbereit.
Um 19:00 Uhr marschierten wir im Abend-Outfit über die Seebrücke zum Restaurant
Schuler, wo wir im Biergarten gutbürgerlich bei angenehmen Temperaturen
speisten. Von Temperatursturz konnte nach wie vor keine Rede sein.
Auf der Terrasse des Hotel Moser gönnten wir uns noch einen Absacker, bevor wir
uns in unsere Zimmer zurückzogen.
Sechste Etappe, 06. September 2019
Weißensee- Millstatt, 44,3 km, 576 hm
Trotz dem Gekläffe der zahlreichen Hunde im Hotel haben Seppl und ich es
geschafft zu verpennen. Erst um 09:00 Uhr sind wir aufgewacht, kurz bevor
Gunther an die Zimmertür klopfte. Draußen war es bewölkt, aber trocken. Das
Frühstück war ganz ok, wenn man darüber hinwegsieht, dass Industrie-Eier
angeboten wurden und das Buffet nur extrem schleppend wieder aufgefüllt wurde,
wenn etwas ausgegangen war.
Wegen der Umbauaktion war die geplante Tages-Strecke recht kurz. Zunächst
strampelten wir auf einem gut fahrbaren Schotterweg rund 300 Höhenmeter hoch zur
weißen Wand, einem hellen Kalkfelsen. Von dort ging es bergab auf einem wieder
verbotenen Schotterweg vorbei an der „Alm hinterm Brunn“ hinunter ins Drau-Tal.
Unterwegs begegneten wir einigen Waldarbeitern, die sich aber an unserem
verbotenen Tun nicht zu stören schienen.
In Drau-Tal angekommen folgten wir grob dem Flusslauf auf dem Radweg über
Sachsenburg und Spital. Weiter ging es entlang des Millstätter Sees nach
Millstatt, wo wir unser Finisher-Bier konsumierten und sich Seppl und Gunther im
Badehaus nach Miet-Equipment für den anschließend geplanten Saunabesuch
erkundigten. Dann radelten wir zur Pension Sedlak und checkten ein. Es war erst
15:00 Uhr.
Gunther und Seppl machten sich auf den Weg ins Badehaus zu Sauna-Session. Ich
habe die Zeit genutzt, in die Badewanne zu liegen, ein wenig zu dösen und mich
über die mittlerweile sechste Abstimmungsniederlage in der sechsten
Parlamentsabstimmung von Boris Johnson zu informieren. Diese rekordverdächtige
Vorstellung der neuen britischen Regierung wurde im Internet gebührend mit einem
beeindruckenden Shit-Storm bedacht.
Für das Abschluss-Mahl haben wir uns den Lindenhof ausgesucht. Allerdings war um
20:00 Uhr, als wir dort ohne Reservierung aufliefen, kein Tisch zu ergattern.
Deshalb reservierten wir einen Tisch für 20:45 Uhr und überbrückten die
Wartezeit mit einem Aperol Spritz in einer Kino-Bar nebenan.
Das Essen im Lindenhof war sehr gut. Ich habe mir ein Büscherl bestellt, weil
ich das im kulinarisch ziemlich
zurückgebliebenen Rheinland nicht bekommen kann. Der Rotwein hat uns so gut
geschmeckt, dass wir noch eine Flasche mit ins Appartement nahmen, um mit ihr
den Sieg von Jogi Löws Jungs über die Niederlande zu feiern. Aus dem Sieg wurde
aber leider nichts, und so war es gar nicht schlimm, dass der Fernseher im
Appartement den entsprechenden Sender gar nicht empfangen konnte. Eine 2:4
Heimniederlage muss man ja nicht wirklich live gesehen haben. Die Flasche
Rotwein musste trotzdem dran glauben. Den traditionellen Caipirinha (https://de.wikipedia.org/wiki/Caipirinha)
haben wir uns aber dieses Jahr erspart.
Rückreise, 07. September 2019
Millstatt – Spital – Salzburg - Overath, 18 km, 72 hm
Um 09:00 Uhr haben wir uns gemütlich zum Frühstücksraum aufgemacht. Noch immer
war von Regen und Temperatursturz nichts zu spüren. Draußen kämpfte sich gerade
die Sonne durch die Wolken und gegen 10:00 Uhr radelten wir los nach Spital.
Nach knapp 11 Kilometern kamen wir eine gute Stunde zu früh am Bahnhof an. Der
Zug nach Salzburg sollte um 11:40 Uhr abfahren. Die Wartezeit überbrückten wir
im sonnigen Stadtpark vor dem Bezirktsheimatmuseum im Parkschlößl. Zeit zum
Beschaffen von ein paar Mitbringsel und etwas Lesematerial für die Zugfahrt war
auch noch.
Gunther hatte sowohl für uns als auch für unsere Fahrräder Plätze reserviert,
und so ging das Einladen in den Fahrradwagen recht geschmeidig von Statten. Der
Zug füllte sich immer mehr und die Gepäckstücke der Mitreisenden wurden immer
größer, je länger wir Richtung Salzburg zuckelten. Um das Drama nicht weiter mit
ansehen zu müssen, gönnten wir uns ein Nickerchen. Gunther hat zur Sicherheit
seinen Wecker gestellt.
Nach circa zweieinhalb Stunden Zugfahrt sind wir dann in Salzburg angekommen und
konnten es kaum fassen: Tatsächlich Regen und kühle Temperaturen. Die
Wetterfrösche lagen richtig! Naja, wenn man lange genug schlechtes Wetter
ankündigt, hat man irgendwann unweigerlich recht.
Egal, wir hatten nur noch 7 km entlang der Salzach zurück zum Park&Ride
Parkplatz Salzburg Süd vor uns, und so richtig Regen war das auch nicht.
Die Autos haben wir unbeschädigt vorgefunden. Die Parkkosten für die 7 Tage
waren mit 37 Euro pro Auto ganz human. Schnell war das Equipment verstaut und
wir verabschiedeten uns in Erwartung eines Monsterstaus auf der A8. Immerhin
endeten in Baden-Württemberg und Bayern an diesem Wochenende die Sommerferien.
Ich hatte mir deshalb eine Alternativ-Strecke über Passau zurechtgelegt, auf die
ich mich auch direkt begab. Allerdings wurden die digitalen Staumeldungen von
der A8 im Minutentakt kürzer. Deshalb habe ich mich nach kurzer Zeit dazu
entschlossen, doch über Rosenheim zu fahren, und das erwies sich als gute
Entscheidung. Kurz nach 22:00 Uhr bin ich im Rheinland angekommen. Gunther und
Seppl waren schon um 20:45 Uhr zuhause.
Fazit
Auch dieses Jahr hatten wir wieder eine Menge Spaß auf unserer Tour. Das
Leistungsniveau hat gut gepasst, deshalb musste keiner allzu lange auf die
Anderen warten. Der Schiebeanteil war diesmal extrem gering, getragen haben wir
unser Rad fast gar nicht. Etwas gefehlt hat mir das Hochgebirgs-Flair. Man fühlt
sich in den Nockbergen eher wie irgendwo im Schwarzwald.
Richtig nervig fand ich die vielen Verbotsschilder für Fahrradfahrer. Eine
einigermaßen sinnvolle Tourenplanung ist so schlicht unmöglich, weil man erst
vor Ort sieht, wo man fahren darf und wo nicht. Ich für meinen Teil werde
zukünftig versuchen, Österreich mit dem Fahrrad zu meiden. Es gibt ja zum Glück
sehr schöne Alternativen.
Für nächstes Jahr besser werden muss auf jeden Fall meine Fitness… 3 Kilo
weniger sind das Minimum.
Die nackten Zahlen
Das Höhenprofil
Verwendete Karten:
Gerd Wittmacher, Ferrenberg 8, 51491 Overath