Transalp 2021
23.8.2021 – 30.8.2021
Brixen (I) – Torbole (I)
471 km, 15395 hm, 8 Etappen
Die Auswahl des Reviers für unsere diesjährige Transalp stand unter dem Einfluss
der Touren der letzten beiden Jahre. Erstens wollten wir den Stress von
Bike-Verboten umgehen. Damit war Österreich schon mal raus. Und zweitens hatten
wir wenig Lust, nochmal bei ähnlichem Sauwetter wie letztes Jahr durch die Berge
zu gurken. Also war schnell klar, dass es dieses Jahr südlich vom Alpenhauptkamm
in Italien losgehen sollte, zumal in den Dolomiten auch noch der eine oder
andere Übergang von auf unserer Wunschliste stand.
Gunther hat auch dieses Jahr wieder die Streckenplanung übernommen.
Gunther und ich haben im vergangenen Winter beide ein neues Fahrrad erstanden,
und zwar ein Cannondale Scalpel Carbon 2. Ich für meinen Teil habe aber lange
gegrübelt, ob ich nicht doch lieber mit meinem geliebten alten Rocky Mountain
losziehen soll. Schlussendlich ist es dann aber doch das Neue geworden, und
bereut habe ich es nicht.
Seppl hat sich für dieses Jahr leider abgemeldet, hat aber angekündigt, nächstes
Jahr wieder dabei zu sein.
Montag, 23. August 2021, Anreise und erste Halbetappe
Brixen → Rastner Hütte, 20.3 km, 1401 hm
Wegen
diverser familiärer Bedürfnisse haben wir dieses Jahr wieder beschlossen,
getrennt anzureisen. Die Fahrt verlief überraschend reibungslos, und so war ich
zwei Stunden vor der verabredeten Zeit um 13:00 Uhr am Parkplatz an der
Mautstation Brixen Nord. Das Wetter war super und der Parkplatz erschien mir gut
geeignet, um die Autos dort für eine Woche zu deponieren.
Um 15:00 Uhr traf Gunther wie verabredet in Brixen ein. Offenbar hatte er mehr
Verkehr über den Fernpass. Die angeblich benötigte digitale COVID
Einreisegenehmigung wollte beim Grenzübertritt nach Italien niemand sehen.
Um 15:30 Uhr waren wir startklar. Die polierten neuen Fahrräder glänzten in der
Sonne und endlich ging es los. Die ersten paar Kilometer überlies Gunther
während der Planung Komoot, was sich als sub-optimal erwies. Zwar haben wir auf
unsere Strecke gefunden, aber es wäre auch deutlich einfacher und mit weniger
Höhenmeter gegangen. Egal, ich hatte zuvor Daniel von der Rastner Hütte (unserem
heutigen Ziel) per eMail mitgeteilt, dass wir etwas später ankommen würden.
Deshalb war es auch nicht so schlimm, dass ich bereits nach 6 Kilometer den
ersten Plattfuß am Vorderrad hatte. Ich hatte mir wohl eine Dorne eingefangen.
Weil die Gabel meines neuen Fahrrads nur einen Holm hat, war der Schlauch
schnell gewechselt und es konnte weiter gehen. Weiter ging es bergauf, zuerst
noch etwas auf Asphalt, dann auf einem Waldweg und schließlich auf einem
Wanderweg, wo wir die erste Schiebepassage erlebten.
Um 18:45 Uhr erreichten wir die Rastner Hütte, wo wir schon in den vergangenen
Jahren ein paar Mal übernachteten. Die Hütte liegt sehr schön, hat eine tolle
Küche und ist sehr stilvoll aus alten Baumaterialien erbaut.
Auf der sonnigen Terrasse gönnten wir uns ein paar Radler und ich reparierte
nebenbei den Lock Out meines gefederten Hinterbaus.
Wir hatten, um die nächtliche Lärmbelästigung zu minimieren, zwei Einzelzimmer
gebucht. Das Duschen geht so natürlich auch deutlich schneller.
Zum Abendessen haben wir uns für das angebotene Menü entschieden und wurden mit
Suppe, Gemüsestrudel, Lamm (welches etwas zäh war) und Topfenstrudel verwöhnt.
Dazu gönnten wir uns ein Fläschchen Lagrein und zum Abschluss einen Grappa.
Den gelungenen Auftakt der Tour zelebrierten wir auf der Terrasse, wo wir den
Vollmond am wolkenlosen Himmel bewunderten, bevor wir uns um 22:00 Uhr in unsere
Betten verkrochen.
Dienstag, 24. August 2021, zweite Etappe
Rastner Hütte → Cortina d‘ Ampezzo, 67,5 km, 1949 hm
Die Ruhe auf der Rastner Hütte ist fast schon gespenstisch, daher haben wir sehr
gut geschlafen. Um 8:00 Uhr trafen wir uns zum Frühstück, welches gut und
überhaupt nicht „hüttenmäßig“ war. Im Frühstücksraum waren außer uns nur drei
weitere Gäste.
Um 9:00 Uhr ging es bei strahlendem Sonnenschein los, zunächst etwas auf und ab
auf gut fahrbaren Schotterwegen. Dann folgten 1100 Höhenmeter Abfahrt nach St
Vigil, welche wir schon von einer früheren Tour kannten. Dort gönnten wir uns
zur Stärkung ein paar Nudeln und Apfelschorle, bevor wir die ersten
nennenswerten Höhenmeter auf einen kleinen Asphalt-Mautstraße in Angriff nahmen.
Busse karrten Touristen ins Val di Marebbe zum dortigen Restaurant, wo auch
viele E-Mountainbiker ihr unverdientes Mahl genossen. Wir ließen das
Etablissement links liegen und machten uns auf eine längere Schiebepassage auf
einem steilen und verblockten Wanderweg zum Passo di Limo.
Offenbar hatte ich bei der Dosierung der täglichen Magnesium-Ration den
Sweet-Spot zwischen Muskelkrämpfen und Montezumas Rache noch nicht gefunden, und
so verspürte ich beim Schieben ein heftiges Ziehen in den Waden. Also Zähne
zusammenbeißen.
Oben am Lago di Limo herrschte Betrieb wie auf der Hohestraße in Köln am
verkaufsoffenen Sonntag. Zudem war es dort recht kühl, deshalb haben wir für die
Abfahrt auf dem geschotterten Wirtschaftsweg ein wärmeres Outfit gewählt. Der
steile Weg offenbarte gnadenlos die fahrtechnischen Defizite der
E-Mountainbiker, die uns auf dem Weg nach oben noch grinsend überholt hatten,
und wir überholten einen nach dem anderen.
Nach den Erfahrungen des Vortags ersparten wir uns einen Schlenker, den Komoot
uns vorschlug. Dieser hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
einige Höhenmeter Schieben bergab bedeutet. Deshalb zogen wir es vor, etwas auf
der Straße bergab zu rollen, bevor wir auf einen tollen Trial abbogen, der uns
direkt nach Cortina D’Ampezzo führte.
Das
Hotel Regina in Cortina D’Ampezzo haben wir gleich gefunden. Wir zogen es aber
vor, in einer Freiluft-Bar neben dem Hotel noch ein paar Radler zu konsumieren.
Der hektische und mit einer nervtötenden Trillerpfeife bewaffnete
Verkehrspolizist, der nebenan lautstark versuchte, den Feierabendverkehr zu
bändigen, veranlasste uns aber, die Location zu verlassen und im Hotel
einzuchecken.
Wir hatten uns aus bekannten Gründen wieder für zwei Einzelzimmer entschieden.
Um 18:00 Uhr trafen wir uns in der Lobby des Hotels, nachdem wir uns und unseren
Radklamotten etwas Wasser und Seife gönnten. Wir brachen auf zur laut Internet
besten Pizzeria der Stadt, welche aber leider noch geschlossen hatte und erst um
19:00 Uhr öffnen sollte. Die Wartezeit überbrückten wir auf der Terrasse einer
nahegelegenen Bar, wo wir uns einen Aperol Spritz genehmigten. Den einsetzenden
Regen überstanden wir trocken unter einem der aufgespannten Sonnenschirme.
Zum ersten Mal mussten wir beim Betreten der Pizzeria unseren digitalen EU
Impfnachweis präsentieren, der vom Personal in typisch italienischer Manier
gewissenhaft überprüft wurde. Das Essen war gut und reichlich, eine Flasche
Lagrein half, die Pizza runterzuspülen. Auf dem Weg zum Hotel gab es noch ein
Eis auf die Hand und in der Hotelbar noch einen Absacker, bevor wir uns um 22:00
Uhr ins Bett begaben. Der Trillerpfeifen-Polizist hatte glücklicherweise schon
Feierabend.
Mittwoch, 25. August 2021, dritte Etappe
Cortina D‘Ampezzo -> Falcade, 53,7 km, 1940 hm
Trotzdem
habe zumindest ich lausig, oder eher gar nicht geschlafen. Um 7:30 Uhr trafen
wir uns zum passablen Frühstück. Draußen schien wieder die Sonne, und nach dem
obligatorischen Bild vor dem Hotel brachen wir um 9:00 Uhr zur dritten Etappe
auf.
Zuerst rollten wir durch das erwachende Cortina. Der Einstieg zur anstehenden
1200 hm langen Auffahrt gestaltete sich recht angenehm. Die ersten 500
Höhenmeter erstrampelten wir auf einer kleinen Asphaltstraße, auf der allerdings
recht viel Autoverkehr war. Als wir eine Schranke passierten und auf einen
Forstweg bogen, dachten wir eigentlich, dass der Verkehr dort weniger würde,
aber etliche Land Rover Shuttle, die Pseudo-Alpinisten zum Rifugio Palmieri am
Lago Federa karrten, hüllten uns während der nächsten 400 Höhenmeter immer
wieder in dicken Diesel-Qualm. Auf der Terrasse des Rifugios stärkten wir unsere
dehydrierten Astralkörper mit Apfelschorle, bevor wir uns auf die letzten 300
Höhenmeter auf einen Singeltrial zum Forcella D’Ambrizzola auf 2277 m machten.
Dort mussten wir teilweise schieben.
Oben auf dem Forcella D’Ambrizzola herrschte lautstarker Hochbetrieb, deshalb
zogen wir wärmere Klamotten an und machten uns an den Abstieg, die ersten 150
Höhenmeter erst mal per pedes. Dann bogen wir auf einen gut fahrbaren, aber sehr
steilen Schotterweg Richtung Alleghe. Die Sonne schien und wir genossen die
tolle Aussicht auf die Stadt, in der wir am 11. September 2001, dem Tag des
Anschlags auf das World Trade Center, übernachteten. Die Ankunft im Hotel an
diesem Tag werde ich wohl nie vergessen.
Dieses Mal aber verweilten wir dort nur, um eine Pizza zu verdrücken. Dann
machten wir uns auf weitere 100 Höhenmeter Abfahrt, teilweise auf der Straße.
Die anschließende Auffahrt führte uns 400 Höhenmeter bergauf nach Falcade.
Teilweise bewältigten wir dies auf einer alten, stillgelegten Autostraße. In den
unbeleuchteten Tunnels war es stockdunkel, und so schoben wir dort teilweise, um
nicht mit einem der herumliegenden Felsbrocken zu kollidieren. Außerhalb der
Tunnels waren deutlich die Hochwasserschäden der vergangenen Wochen zu erkennen.
Im Übereifer schossen wir zunächst am Garni Valdan in Falcade vorbei. Schnell
haben wir den Fehler bemerkt und sind die 1.5 km zu unserer Bleibe
zurückgefahren. Die sehr nette Empfangsdame reservierte auf unsere Bitte für
19:00 Uhr einen Platz in der besten und einzigen Pizzeria im Ort. Nach dem
Duschen und Wäsche waschen dackelten wir ins Dorf. Weil wir zu früh dran waren,
deckte Gunther seinen beeindruckenden Flüssigkeitsbedarf durch einen Einkauf im
örtlichen Supermarkt. Danach beobachteten wir das Dorfgeschehen vor der
Dorfkneipe bei einem Bierchen, welches mit leckeren, tapasähnlichen
Schweinereien gereicht wurde.
Die Pizzeria Livia erwies sich als passable Location. Nudel, Pizza und Rotwein
sollten die Körner für die nächste, recht heftige Etappe liefern. Um 21:45 Uhr
machten wir uns auf den Rückweg.
Donnerstag, 26. August 2021, vierte Etappe
Falcade → Passo Brocon, 79,9 km, 2655 hm
Das Frühstück war in Ordnung, alle am Vortag auf dem Bestellzettel angekreuzten
Leckereien standen auf dem Tisch. Ich konnte trotzdem nichts essen und hab mir
für den Tag nur eine Banane eingepackt. Um 8:45 Uhr brachen wir bei Sonnenschein
zur vierten Etappe auf. Erst stand eine 800 Höhenmeter lange Auffahrt zum Passo
Valtes auf dem Programm. Diese verlief aber auf Asphalt und war daher relativ
schnell erledigt. Die anschließende kurze Abfahrt zum Val Venegia erledigten wir
teilweise off road. Das Val Venegia befindet sich in spektakulärer Bergkulisse.
Der Weg durch das Tal ist gut fahrbar. Allerdings war auch hier die Hölle los.
Schwärme von italienischen Tagestouristen bevölkerten das Tal. Carabinieris
versuchten verzweifelt, das Parken der vielen Autos einigermaßen organisiert zu
gestalten. Dazwischen sorgten E-Mountainbiker für zusätzliches Chaos, indem sie
abwechselnd mit abartiger Geschwindigkeit an Fußgängern und Radfahrern
vorbeischossen und dann unvermittelt wieder mitten auf dem Weg stehen blieben.
Die 600 Höhenmeter bergauf zur Baita Segantini Hütte sind aber komplett fahrbar.
Wegen
dem Trubel dort oben haben wir uns entschlossen, oben nur kurz zu verweilen und
stattdessen im Tal etwas zum Essen zu suchen. Die Abfahrt verlief erst auf einem
Trial, dann auf der Straße. Beim dritten Anlauf ergatterten wir dann ein paar
Nudeln und Kaltgetränke. Zwar war es sonnig, trotzdem fröstelten wir auf der
Terrasse des Restaurants und bei der anschließenden weiteren Abfahrt etwas. Warm
wurde uns aber wieder bei den 1200 Höhenmeter zum Passo Baita Sagantini und auf
den Passo Brocon.
Auf letzterem kamen wir um etwa 17:00 Uhr an. Das Albergo Passo Brocon ist eine
einfache, in die Jahre gekommene Unterkunft. Die betagte Wirtin spricht
ausschließlich Italienisch, und das ziemlich schnell. Irgendwie konnten wir uns
aber mit Händen und Füßen verständigen. Während sich draußen der Himmel zuzog,
verstauten wir die Räder, duschten und wuschen unsere Klamotten. Um 18:30 Uhr
rief Gunther zur Theke, von wo wir um 19:00 Uhr von der Wirtin in den Speisesaal
zitiert wurden. Mittlerweile goss es draußen in Strömen.
Die Speisen wurden vom nicht minder betagten Ehepartner der Wirtin zubereitet.
Die Nudeln zur Vorspeise waren recht gut. Das Fleisch zur Hauptspeise kam etwas
zerfleddert und ohne Beilagen… blöd, wenn man die Speisekarte nicht lesen kann.
Den abschließenden Ramazotti an der Theke untermalte der eine oder andere
Beitrag von Josef Hader aus Gunthers Handy.
Freitag, 27. August 2021, fünfte Etappe
Passo Brocon → Passo Vezzena, 85,9 km, 2320 hm
Um 7:30 Uhr gab es Frühstück… das lausigste und spartanischste der ganzen Tour.
Keine Wurst, kein Käse, schlechtes Brot und dünner Kaffee. Aber Oma und Opa
konnten wir nichts krummnehmen. Nachdem Gunther den zunächst vergessen Brustgurt
geholt hatte, brachen wir bei neblig-kühlem herbstlichen Wetter zur Abfahrt auf.
1800 Höhenmeter sollte es bergab gehen. Wir beschlossen wegen dem Wetter, das
hauptsächlich auf einer kleinen, teilweise für den Autoverkehr gesperrten
Asphaltstraße zu erledigen. Die Straße führte durch eine spektakuläre Schlucht
hinunter auf nur 250 m über nN. Auch die anschließende Auffahrt begann zuerst
auf Asphalt, verlief dann aber weiter auf Schotter. Auf dem Weg haben wir nur 3
andere Radfahrer getroffen. Ein perfektes Kontrastprogramm zu den beiden vorigen
Tagen. Allerdings war Gastronomie am Wegesrand auch nicht zu finden. Deshalb
mussten wir uns bei einer Rast auf halbem Weg mit den mitgeführten
Notfall-Energieriegeln begnügen. Ich habe nur einen halben runtergewürgt
bekommen. Furchtbar, das Zeug.
Zum Trost ließ sich zeitweise die Sonne wieder blicken, bevor sie sich wieder
hinter den Wolken verkroch. Dann nieselte es sogar leicht und die dicken Steine
auf dem Weg aus dem ersten Weltkrieg wurden glitschig und rutschig. Deshalb
schoben wir teilweise. Wir waren mittlerweile auch ziemlich platt. Es waren
nicht so sehr die Höhenmeter, die uns zu schaffen machten, sondern eher die
Beschaffenheit der Wege. Dicke Steine und Wurzeln versuchten immer wieder,
Vorder- oder Hinterrad zum Stehen zu bringen. An einigermaßen gleichmäßiges
Pedalieren war nicht zu denken. Zudem neigten sich unsere Wasservorräte langsam
dem Ende. Zum Glück fanden wir in der sonst recht trockenen Gegend einen
einigermaßen vertrauenserweckenden Brunnen, wo wir unsere Wasserflaschen
auffüllten. Jetzt kam auch die Sonne wieder raus.
Wir befanden uns in einem im ersten Weltkrieg heftig umkämpften Gebiet. Den
Kampfhandlungen zwischen Österreich und Italien verdanken wir einen Großteil des
Wegenetzes dort, welche treffenderweise als „Dynamite-Trials“ bezeichnet wird.
Aber auch Schützengräben, Mahnmale und zerfallene Festungen zeugen von den
Geschehnissen zwischen 1914 und 1918. Eine solche Festung, das Festungswerk
Verle, passierten wir kurz bevor wir zum Passo Vezzena kamen.
Dort hatten wir in einem monströsen Ski-Hotel aus den 70ern zwei Einzelzimmer
reserviert. Die Empfangsdame beim Check-in hat uns gleich vorgewarnt, dass unter
den Gästen zwei komplette Fußballmannschaften waren, welche im Restaurant für
eine beeindruckende Geräuschkulisse sorgen würden. Sie riet uns deshalb, später
zu essen. Da unsere Mägen allerding schon in den Kniekehlen hingen, hielten wir
das nicht für eine reizvolle Idee.
Deshalb machten wir uns nach Körper- und Klamottenpflege auf in eine Berg-Bar
gegenüber. Dort hofften wir auf ein Abendessen. Um die Lage auszukundschaften,
bestellten wir erst mal ein Bier, welches zum Glück mit etwas fester Nahrung
gereicht wurde. Richtiges Abendessen gab es dort aber an diesem Tag leider
nicht, da heute eine Bergparty stattfinden sollte. Das erklärte auch, warum aus
den Lautsprechern Modern Talkings Cheri Cheri Lady dröhnte. Also watschelten wir
zurück zum Hotel. Den Krach im Hotelrestaurant empfanden wir gar nicht mehr so
schlimm, nachdem unsere Ohren zuvor von Dieter Bohlen und Thomas Anders gequält
wurden.
Es gab Nudeln (gut), Roastbeef (ganz ok) und Kartoffeln (lausig). Ich habe
glücklicherweise am Abend noch ausgecheckt. Daniela, die Dame an der Rezeption,
stand offensichtlich auf Kriegsfuß mit moderner Datenverarbeitung und brauchte
etliche zeitraubende Anläufe, bis schlussendlich der Computer einen
Rechnungsbetrag ausspuckte, der für beide Seiten plausibel war. Als
Entschuldigung gab sie mir noch einen Grappa aus.
Samstag, 28. August 2021, sechste Etappe
Passo Vezzena → Posina, 55.7 km, 1395 hm
Wir
hatten uns wohl betreffend der Frühstückszeit missverstanden, und so frühstückte
ich in Ruhe um 7:30 Uhr, während Gunther sich um 8:00 Uhr den Frühstücksraum mit
30 heranwachsenden Fußballern teilte. Ich habe solange nochmal etwas gedöst.
Das Wetter draußen sah noch etwas durchwachsen aus. Da das geplante Tagespensum
recht überschaubar war, beschlossen wir, einen kleinen Schlenker zum Sperrwerk
Gschwent, der größten Festungen aus dem ersten Weltkrieg, zu machen. Die Festung
beherbergt auch ein sehenswertes Museum, welches wir uns ansehen wollten.
Angeblich war auch Luis Trenker unter den Soldaten, die dort gedient haben.
Also fuhren wir auf einer kleinen Autostraße hinunter nach Lavarone und von da
weiter zum Sperrwerk. Jetzt schien auch schon wieder die Sonne, und wir
verbrachten einige Zeit dort. Drinnen war es allerdings kalt und nass, was etwas
erahnen ließ, wie ungemütlich es damals dort gewesen sein muss.
Nach
der Besichtigung schwangen wir uns wieder in die Sättel und fuhren über
Carbonare wieder hoch zum Forte Chelere, einer weiteren Festung entlang der
Dynamite Trials. Auch dieses schauten wir uns kurz an, bevor wir im
gleichnamigen Restaurant nebenan Nudeln und Apfelschorle vertilgten. Lange haben
wir es dort aber nicht ausgehalten.
Eine italienische Gesellschaft am Nebentisch machte derartigen Lärm, dass wir es
vorzogen, aufzubrechen. Weiter ging es auf den Monte Maggio, wo ich 2011 schon
einmal mit Seppl war. Die Auffahrt war holperig und wir waren froh, mit
vollgefederten Fahrrädern unterwegs zu sein. Trotzdem mussten wir teilweise
schieben.
Eigentlich hätte ich noch wissen müssen, dass der anschließende Trial für uns
erst mal nicht fahrbar ist. Erstens ist die Wegbeschaffenheit nicht die beste
und zweitens ist der Weg teilweise so ausgesetzt, dass jeder Fehler mit großer
Wahrscheinlichkeit der letzte wäre. Deshalb haben wir etwas 300 Höhenmeter
bergab geschoben. Ab und zu konnten wir einen Blick auf den Pasubio erhaschen,
der für den nächsten Tag auf dem Programm stand.
Der alte Militär-LKW, bei dem ich schon mit Seppl gerätselt hatte, wie der wohl
da hingekommen ist, stand immer noch da. Ab hier war der Weg dann auch fahrbar,
und die Befürchtung, wir würden unsere Unterkunft nicht mehr bei Tageslicht
erreichen, verflog.
Einen kurzen Schreck jagte uns noch ein auf uns zu stürmender, kläffender
Hirtenhund ein. Das Tier war aber anscheinend Profi, beachtete uns gar nicht und
kümmerte sich stattdessen um seinen Job, dem Zusammentreiben der vierbeinigen
Rindviecher.
Weiter ging die steile Schotterabfahrt auf dem Sentiero della Pace zum Passo
Coe, wo wir auf die kleine Passstraße trafen. Gunther identifizierte den
Parkplatz dort als ideales Nachtlager mit dem Wohnmobil. Weiter ging es auf der
Straße hinunter nach Posina, wo wir im Albergo Al Garibaldino reserviert hatten.
Das Albergo ist eine typische italienische Bleibe. Die Zimmer sind klein,
einfach und sauber… aber früh morgens etwas laut, wie sich herausstellen sollte.
Das Abendessen im zugehörigen, proppenvollen Restaurant war das bislang beste
während dieser Tour. Es gab hausgemachte Gnocchi und Saltimbocca. Auch der
Valpolicella Bella Maria war sehr lecker. Gunther hat gleich sechs Flaschen
davon per Handy nach Hause bestellt.
Um 22:30 Uhr ging’s in die Falle
Sonntag, 29. August 2021, siebte Etappe
Posina → Brentonico, 63,5 km, 2211 hm
Bis um 5:00 Uhr war die Nacht ruhig. Aber dann… mein offenes Fenster zeigte
genau Richtung Kirchturm, auf welchem ab 5:00 Uhr alle 15 Minuten die Glocken
schlugen. Das Frühstück war aber recht gut. Und draußen schien die Sonne.
Um ca. 9:00 Uhr ging es los. Heute stand noch einmal eine knackige Etappe auf
dem Programm. Die Auffahrt zum Pasubio verläuft zunächst für etwa 500 Höhenmeter
auf einer kleinen, aber sonntags stark befahrenen Asphaltstraße zum Passo Xomo
und von dort weiter zur Galeria 52. 600 Höhenmeter hat man dort geschafft. Eine
kurze Pause nutzte ein kleiner Straßenköter, um an Gunthers Vorderrad zu
urinieren, was bei Besitzer von Hund und Fahrrad für Heiterkeit sorgte.
Verbotsschilder für Radfahrer und Wanderer erfreuten sich wenig Beachtung. Eine
Schranke markiert das Ende der Asphaltdecke. Ab hier geht es auf einer
Kriegsstraße aus dem ersten Weltkrieg stetig, teilweise spektakulär ausgesetzt
bergauf. Zum größten Teil ist das Sträßchen fahrbar, nur zum Schluss wird es
sehr steil. Dort sind dann die reichlich vorhandenen E-Mountainbikes klar im
Vorteil… aber nur, bis etwas weiter oben die ersten Tragepassagen beginnen. Ab
dort sieht man die Dinger dann auch nicht mehr.
Der komplette Pasubio ist durchfurcht mit Schützengräben und übersäht mit
Granatsplittern und Mahnmalen. Auf dem Europäischen Fernwanderweg E5, auf dem
ich schon 2011 mit Seppl einige Zeit per pedes verbrachte, schoben und trugen
wir unsere Räder durch die gespenstische Kriegslandschaft. Der Weg ist hier sehr
ausgesetzt, und wir haben uns erst zu fahren getraut, als Büsche am Wegesrand
einen Sturz in den Abgrund zu verhindern versprachen.
Kurz vor dem Rifugio Lancia ereilte Gunther der mittlerweile traditionelle
Speichenbruch. Schnell mussten wir feststellen, dass eine 26-Zoll Notfallspeiche
für ein 29-Zoll Hinterrad zu kurz ist. Wieder etwas gelernt für die Packliste.
Auf der Terrasse des Rifugio Lancia war viel los. Viele Wanderer und Radfahrer…
und noch mehr kläffende Köter. Das Essen wurde im Pappgeschirr serviert.
Plastik-Besteck erhöhte auch nicht gerade das Genuss-Erlebnis. Also verweilten
wir nur kurz auf der sonnigen Terrasse.
Vorsichtig gingen wir die restliche Schotterabfahrt an, um Gunthers geschwächtes
und eierndes Karbon-Hinterrad nicht zum Kollabieren zu bringen. Auf der
Straßenabfahrt nach Rovereto ließen wir es dann aber ordentlich krachen.
In Rovereto füllten wir unsere Radflaschen bei einem Supermarkt nochmal auf.
Entlang der Etsch rollten wir gemütlich auf dem Radweg zum Einstieg zum letzten
Anstieg. Dieser ließ nicht lange auf sich warten und erinnerte uns mit einer
16%igen Rampe an jeden Höhenmeter der vergangenen Tage. Im weiteren Verlauf der
500 Höhenmeter wurde die Steigung aber angenehmer und ließ sich flott fahren.
Genervt haben nur die vielen Provinz-Racer auf ihren Mopeds, die uns knapp und
mit einem mörder Radau überholt haben. Das tolle Wetter brachte uns zudem
mächtig ins Schwitzen.
Unser Domizil, das Hotel Miramonti in Bentonico, liegt direkt an der Straße. Auf
der Terrasse neben dem vermutlich mit Kolibakterien verseuchten Mini-Pool
gönnten wir uns erst mal ein paar Kaltgetränke, bevor wir unsere Zimmer im
dritten Stock bezogen. Zum Glück waren die Fenster unserer beiden Einzelzimmer
nach hinten gerichtet, und statt Straßenlärm genossen wir eine tolle Aussicht.
Das Abendessen wurde von einer zackigen Bedienung auf der Terrasse neben dem
Pool serviert und war recht passabel. Um 22:15 Uhr war Bettruhe.
Montag, 30. August 2021, achte Etappe
Brentonico → Riva/Torbole, 44.1 km, 1524 hm
Finale. Zur Feier des Tages frühstückten wir heute erst um 8:00 Uhr. Danach hat
mich Gunther wie üblich 20 Minuten beim Fahrrad auf den erfolgreichen Abschluss
seiner Geschäfte in der Keramikabteilung warten lassen.
Das Wetter war erstklassig. Zunächst ging es mit angenehmer Steigung weiter auf
der Straße Richtung Monte Baldo. Nach 500 Höhenmeter folgten wir dem Abzweig zum
Altissimo, ein Berg, den ich schon seit vielen Jahren auf der Wunschliste habe.
Die letzten 400 Höhenmeter zum Gipfel des Altissimo sind auf steilem Schotterweg
zu bewältigen. Teilweise haben wir hier geschoben.
Oben auf dem Altissimo eröffnet sich ein grandioser Blick auf den gesamten
Gardasee, der über 2000 Meter tiefer in der Sonne glitzerte. Von Sirmione bis
Riva und Torbole ist alles zu sehen, gegenüber der mächtige Tremalzo, und sogar
den Ledro-See kann man erspähen. Diese Mühe hat sich definitiv gelohnt. Wir
haben dort viele Bilder gemacht.
Dann ging es auf die letzte Abfahrt. 2000 Höhenmeter waren angesagt, angeblich
klassifiziert als Schwierigkeitsgrad 3 von 5. Das sollte fahrbar sein, dachten
wir. Irrtum, die ersten 300 Meter war nicht viel mit Fahren. Wir haben aber auch
sonst niemand gesehen, der dort gefahren ist.
Dann aber änderte sich die Oberfläche. Erst auf steilem Schotterweg, dann auf
einer kleinen Asphaltstraße gaben wir unseren geplagten und jammernden Bremsen
den Rest. Je tiefer wir kamen, umso wärmer wurde es. Unten herrschten sonnige,
angenehme 25°C.
Ohne anzuhalten fuhren wir gleich weiter nach Riva, wo wir am Hafen die
traditionellen Spaghetti Vongole mit dem Finisher-Weizen runterspülten, das
Abschlussbild machten und die Daheimgebliebenen telefonisch von unserer Ankunft
in Kenntnis setzten. Schön war’s da am Hafen. Merkwürdig, dass Kellner und
Passanten plötzlich hektisch wurden. Ein Blick zum Himmel lieferte die
Erklärung. Dicke Wolken verhießen nichts Gutes. Deshalb zahlten wir rasch und
schossen vom Alkohol etwas enthemmt in Fahrrad-Kurier-Manier nach Torbole zum
Hotel Benaco direkt am Hafen. Wir sind tatsächlich trocken angekommen und
konnten sogar noch die Fahrräder trockenen Fußes in den Schuppen bringen. Dann
hat es aber richtig angefangen zu schütten… kurz zwar, aber heftig.
Die Klamotten haben wir heute nicht gewaschen, sondern in Plastiktaschen
aromaversiegelt verpackt. Ich bin noch losgezogen, um Klamotten zu kaufen, aber
außer einem T-Shirt habe ich nichts Ansprechendes gefunden. Das übliche
Asien-Repertoire der Klamottenläden an der Hauptstraße ist anscheinend mit der
Ever Given im Suez Kanal hängen geblieben.
Gunther hatte schon am Vortag einen Tisch für 20:00 Uhr im Surfers Grill
reserviert, wo wir traditionell den Abschluss jeder Tour feiern, so diese am
Gardasee endet. Um 19:00 Uhr trafen wir uns in der Lobby. Etwas zu früh trafen
wir am Surfers Grill ein. Dort genossen wir eine tolle Fisch-Vorspeise, ein
recht gutes Rindersteak, einen schönen Rotwein und ein Dessert. Ich war danach
vollständig gesättigt, aber bei Gunther passte noch ein Eis auf die Hand rein.
Auf die traditionellen Caipirinhas (http://de.wikipedia.org/wiki/Caipirinha) in
der Wind’s Bar durften wir natürlich keinesfalls verzichten. Glücklicherweise
hatte Gunther den Zettel mit dem Tür-Code für die Hoteltür eingesteckt. Den
brauchten wir, als wir um 0:30 Uhr im Hotel eintrafen.
Dienstag, 31. August 2021, Rückreise
Um 7:00 Uhr trafen wir uns noch etwas müde zum Frühstück, das recht gut und
üppig war. Nach dem Packen und etwas ähnlich Klingendem trafen wir uns um 8:15
Uhr und radelten zum Shuttle Bahnhof in Torbole, wo schon viele Leute und zwei
Shuttles warteten. Allerdings waren diese von einem Unternehmen namens Zion
Reisen aus Österreich, Gunther hatte aber bei „Fahrtwind“ gebucht. Ein Blick ins
Internet offenbarte aber, dass es sich dabei um Partnerunternehmen handelte.
Unser Shuttle war recht voll. 28 Leute mit Fahrrädern wurden verstaut. Unsere
Räder wurden zum Schluss verladen, weil wir in Brixen zuerst austeigen durften.
Wir warfen einen letzten Blick auf den sonnigen Gardasee, während sich der Bus
die Straße nach Nago hochquälte. Zwei Stunden dauerte die Fahrt nach Brixen.
Eigentlich hatten wir vor, etwas zu schlafen, aber der Fahrer telefonierte
permanent und derart laut, dass daran nicht zu denken war.
Um ca. 11:00 Uhr kamen wir bei unseren Autos an, die wir zwar dreckig, aber
unversehrt vorfanden. Rasch verluden wir unsere Räder und verabschiedeten uns
voneinander. Gunther hatte den Auftrag, in Sterzing italienisches Waschmittel
namens Sole zu organisieren. Ich machte noch einen Besuch bei meinen Eltern in
Beimerstetten und schaffte es dank günstiger Verkehrslage, um punkt 20:00 Uhr
zuhause zu sein.
Fazit:
Wir hatten dieses Jahr wieder eine tolle Tour mit einigen landschaftlichen
Highlights. Das Leistungsniveau war ausgeglichen, Tragepassagen waren
überschaubar. Unsere neuen Fahrräder haben die Bewährungsprobe bestanden. Und
etwas stolz auf das geleistete waren wir auch.
Glück hatten wir auch mit dem Wetter, das größtenteils fantastisch war, während
es auf der Alpennordseite fast ständig regnete.
Die nackten Zahlen
Übersichtskarte
Verwendete Karten:
Gebraucht haben wir die folgenden Karten zwar nicht, aber zur Sicherheit haben
wir diese mitgeschleppt:
Gerd Wittmacher, Ferrenberg 8, 51491 Overath