Transalp 2024
15.6.2024 – 21.6.2024
Wörgl (A) – Riva (I)
502
km, 13252 hm, 7 Etappen
Ein
neues Jahr, eine neue Tour. Dieses Jahr konnte auch Seppl wieder teilnehmen.
Schon im letzten Jahr sind wir im Frühsommer losgezogen und haben damit gute
Erfahrungen gemacht. Deshalb sind wir auch dieses Jahr schon Mitte Juni
aufgebrochen, um über die Alpen zu radeln. Und, um es vorweg zu nehmen, wir
haben es auch dieses Jahr nicht bereut. Das Wetter war uns gnädig, die
Schneelage war bis auf den zweiten Tag ok und außerdem verbleibt so mehr Zeit
nach der Tour, in der man sich mehr aufs Grillen als auf den Bauchumfang
konzentrieren kann.
Um
mein Performance-Trauma vom letzten Jahr zu überwinden, habe ich dieses Jahr
schon im März angefangen, auf Kohlenhydrate zu verzichten und die Verdauung mit
einem täglichen Gläschen Apfelessig morgens auf nüchternen Magen anzukurbeln.
Das ganze zeigte mäßige Wirkung auf der Waage, aber zumindest hing ich dieses
Jahr nicht hinterher.
Gunther hat sich wieder viel Mühe mit der Streckenplanung gegeben und die
Komoot-Vorschläge mittels diversen Tools gegengecheckt. Das hat auch gut
geklappt, nur die vierte Etappe geriet etwas „experimentell“. Dass das ein
Risiko sein könnte, war uns aber schon vorher bekannt. „No risk, no fun“, wie
man so schön sagt…
Freitag/ Samstag 14./15. Juni 2024, Anreise und erste Etappe
Wörgl (A) – Neukirchen (A), 41.7 km, 1275 hm ↗, 899 hm ↘
Wie
in den vergangenen Jahren hatten wir auch dieses Jahr am Anreise-Tag noch eine
Fahretappe geplant. Allerdings geriet die dieses Jahr etwas länger. Deshalb
fuhren Gunther und Seppl am Vortag schon bis Nellingen und übernachteten dort.
So war die Anreise am Samstag kürzer. Ich fuhr am Freitag nach Ulm und
übernachtete bei meinen Eltern.
Seppl ist der einzige echte Fußball-Fan unter uns, und so war die
Live-Übertragung des Eröffnungsspiels der Fußball-Europameisterschaft zwischen
Deutschland und Schottland am Freitagabend eine Pflichtveranstaltung. Bei Pulled
Pork und Spare-Ribs vom Smoker konnte er im historischen Auswärtstrikot einen
5:1 Sieg der deutschen Nationalmannschaft bejubeln. Der Sieg wurde wohl mit ein
paar Bierchen begossen, was zu einer verkürzten Tiefschlaf-Phase führte. Ich
habe derweil in Ulm meine Biervorräte aufgestockt und genoss es, dass während
des Spiels der Getränkemarkt so gut wie leer war.
Am
Samstag ging es weiter nach Wörgl, wo wir uns um 12:00 Uhr am Friedhof
verabredet hatten. Ich war zu geizig, in ein Pickerl zu investieren und fuhr die
letzten Kilometer ab Kiefersfelden auf der Bundesstraße. Trotzdem traf ich schon
um 11:30 Uhr als erster am Treffpunkt ein, musste aber feststellen, dass die
maximale Parkdauer dort lediglich 90 Minuten betrug. Der Parkplatzwächter hatte
auch keinen Tipp, wo wir unsere Autos kostenfrei für eine Woche parken konnten,
echauffierte sich aber derart über die letzten Aktionen der „Klima-Kleber“ in
Österreich, dass seine Gesichtsfarbe ins erdbeerrot wechselte.
Pünktlich um 12:00 Uhr trafen Gunther und Seppl ein. Nach kurzem Kriegsrat
beschlossen wir, irgendwo außerhalb der Stadt zu parken. Ein geeigneter
Wanderparkplatz direkt an der Brixtaler Ache war schnell gefunden.
Ausladen, Umziehen, Räder zusammenbauen und das Start-Photo ging routiniert von
der Hand. Eine letzte Gewichtsoptimierung des Equipments haben wir auch noch
vorgenommen, indem wir einige der Kompass-Karten aussortierten und im Auto
ließen. Gegen 12:50 Uhr ging es dann los… ein gutes Gefühl nach all der Planung
und nur bedingt erfolgreichen Versuchen, die Wampe loszuwerden.
Zunächst
auf dem Radweg entlang der Brixtaler Ache starteten wir bei schönem Wetter und
angenehmer Temperatur, bis wir vom Radweg abbogen, um zunächst auf Asphalt, dann
auf gut fahrbarem Schotterweg die ersten 1200 Höhenmeter in Angriff zu nehmen.
Fast ganz oben angekommen dachten wir schon, wir könnten am ersten Tag Schieben
und Tragen vermeiden, aber dann mussten wir die letzten 30 Höhenmeter zur
Filzenscharte auf einem kleinen, verblockten Trampelpfad schieben. Weiter ging
es über ausgelegte Bretter über ein kleines Hochmoor durch eine tolle
Sumpflandschaft. Das dauerte aber nur gut 15 Minuten. Pünktlich zur Abfahrt nach
Neukirchen fing es dann an zu Regnen. Ausnahmsweise hatten die Wetterfrösche
also Recht. Zumindest konnten wir so die mitgeführte Regenbekleidung testen. Die
Abfahrt war komplett fahrbar, erst auf Schotter, dann auf Asphalt. Vorbei ging
es an Plakaten, auf denen Schafsbauern mit Bildern von gerissenen Schafen ihren
Unmut über die aktuelle Wolfs-Politik äußerten. Offenbar treiben in der Gegend
gleich mehrere Wolfsrudel ihr Unwesen.
Um
16:15 Uhr erreichten wir das Hotel Unterbrunn in Neukirchen. Erstmal bestellten
wir ein Kaltgetränk gegen den Durst bei dem etwas skurril wirkenden Barkeeper
aus Osteuropa. Von hinter der Bar vernahmen wir wütendes Gebrüll. Seppl ging der
Ursache auf den Grund, und fand heraus, dass der Barmann Ungar war und seinem
Unmut über der Performance seiner Mannschaft gegen die Schweiz lautstark
Ausdruck verlieh. Die Ungarn verloren dann auch mit 1:3 Toren.
Als
die Chefin eintraf und uns herzlich begrüßte, wurde es ruhiger hinter der Bar.
Die Chefin genehmigte auch die Inbetriebnahme der Sauna. Während Gunther und
Seppl dort schwitzten, genoss ich die Badewanne in unserem Doppelzimmer. Gunther
hat schon im Vorfeld darum gebeten, während der Tour im Einzelzimmer zu
nächtigen. In unserem Doppelzimmer hat Seppl das Schlafsofa umgebaut, und so
hatten wir wenigstens getrennte Betten.
Vor
dem Hotel wurden Bühnen und Stände für das bevorstehende Motorrad-Treffen
aufgebaut, während wir um 19:00 Uhr bei Nieselregen losstiefelten, um ein
Restaurant fürs Abendessen zu suchen. Fündig wurden wir im örtlichen Kino. Das
Essen war auch ok, nur für das Gebotene etwas zu teuer. Gunther bestellte
gebratenen Zander, welchen der ungarische Kellner als „Forelle“ vorstellte. Um
welches Tier es sich schlussendlich wirklich handelte, bleibt ein Geheimnis.
„Fisch ist Fisch“, meinte der Kellner, und geschmeckt hat es trotzdem.
Um
22:00 Uhr verkrochen wir uns nach einem langen Tag ins Bett und schliefen ein,
während im Fernsehen im Hintergrund von uns völlig unbemerkt die Spanier gegen
Kroatien mit 3:0 gewannen.
Sonntag, 16. Juni 2024, zweite Etappe
Neukirchen (A) – Lienz (A), 98.5 km, 2317 hm ↗, 2380 hm ↘
Wir
haben recht gut geschlafen und trafen uns im 7:30 Uhr im riesigen
Frühstücks-Saal, den wir fast für uns alleine hatten. Die Chefin erzählte, dass
es in der Vorsaison recht ruhig wäre, hoffte aber auf volles Haus, wenn das
Motorrad-Treffen nächste Woche losgeht. Das Frühstück war gut und reichhaltig,
nur das mit den Eiern zum Selbstkochen hat irgendwie nicht geklappt. Offenbar
müssen Eier auf fast 900 Meter über Normal Null deutlich länger als fünf Minuten
kochen. So haben wir die Eier eben geschlürft statt gelöffelt.
Los
ging es etwa 20 km leicht bergab entlang der Salzach nach Mittersil. Dann bogen
wir auf einen Schotterweg, der uns gut 1200 Höhenmeter, immer steiler werdend,
aber gut fahrbar zum Hintersee führte. Ab dort wurde das Geläuf verblockt und
steil, sodass wir den Anstieg per Pedes fortsetzen mussten. Irgendwie haben wir
dabei Seppl verloren. Der ist an einer Kehre falsch abgebogen, was Gunther und
ich erst nach einiger Zeit bemerkten. So machten wir uns ohne Fahrräder auf die
Suche nach ihm und entdeckten ihn im Nebel einige Höhenmeter über uns. Wieder
vereint kämpften wir uns weiter über den verblockten Pfad und beobachteten dabei
neidisch die Gämsen, die sich offenbar mühelos über die Geröllfelder flitzten.
Auch ein paar Murmeltiere ließen sich blicken. Für uns war dieser Abschnitt aber
mächtig kräftezehrend. Der Weg wurde immer steiler und die Schneefelder, die wir
zu durchqueren hatten, immer größer. Steigeisen wären hilfreich gewesen. Zum
Glück war das Wetter besser als angekündigt. Bei dem angekündigten Regen hätten
wir den Übergang wohl nicht geschafft. Auch so brachte uns die Aktion an unsere
körperlichen Grenzen, zumal wir am Rand der Schneefelder immer wieder bis zur
Hüfte einbrachen, was mit Rad und Rucksack auf dem Rücken ziemlich unangenehm
ist. So waren wir froh, als wir endlich die Pöltner Hütte erreichten. Außer uns
waren nur noch zwei weitere Gäste im Gastraum. Diese kamen von der anderen
Seite, ließen ihre Räder aber ein paar hundert Höhenmeter weiter unten stehen
und kamen zu Fuß auf ein Kaltgetränk in die frisch eröffnete Hütte. Die
gesprächige Bedienung berichtete, dass das Hüttenpersonal inklusive des neuen
Hüttenwirts erst am Vortag per Helikopter eintrafen. Vor weniger als zwei Wochen
gab es hier noch 30 cm Neuschnee. Glück muss man haben. Die Rauchmelder hingen
zwar noch nicht an der Decke, aber frischer Apfelstrudel war schon gebacken. Den
hat Seppl auch gleich probiert und für gut befunden, außerdem gab es Suppe und
Kaltgetränke.
Es
war schon 16:30 Uhr, wir hatten noch fast 60 Kilometer vor uns und der Abstieg
sah auch alles andere als fahrbar aus. Über die langen Schneefelder ging es dann
aber rutschender und fahrender Weise schneller als gedacht und machte auch einen
mords Spaß. Die nassen Schuhe störten da wenig, und den Sonnenbrand unter dem
schütteren Haar habe ich erst abends bemerkt. Nach etwa 300 Höhenmeter trafen
wir auf einen Fahrweg, der nur noch gelegentlich mit Schnee bedeckt war.
Schließlich kamen wir direkt am südlichen Ausgang des Felbertauerntunnels auf
eine kleine Asphaltstraße, die schließlich in die vielbefahrene
Felbertauernstraße mündete. Wir hatten endlich das Tauern-Massiv überquert.
Wegen der fortgeschrittenen Uhrzeit und der beachtlichen verbleibenden Strecke
versuchten wir auf der Mautstraße trotz des heftigen Verkehrs Kilometer zu
fressen, aber nach ein paar Kilometern wurde uns das zu gefährlich. Deshalb
bogen wir auf eine kleine Nebenstraße ab, wo wir uns im Wind-schatten fahren
versuchten, um dem Gegenwind ein Schnippchen zu schlagen. Bekanntlich hasse ich
Windschatten fahren, aber wegen der schwindenden Kräfte machte ich eine
Ausnahme…
Um
19:10 Uhr erreichten wir endlich das Hotel in Lienz und gönnten uns ein Radler,
bevor wir unsere Räder versorgten, eincheckten und in unseren Zimmer
Radklamotten und Body vom gröbsten Mief befreiten. Auch hier hatten Seppl und
ich zum Glück wieder getrennte Betten. Einer Empfehlung der Rezeptionistin
betreffend der Location fürs Abendessen sind wir gefolgt. Zumindest ich war von
dem Gebotenen aber eher nicht so begeistert. Nudeln gab es nicht, und die
fettigen Kartoffel-Krapfen musste ich mit einem Schnaps runterspülen. Seppl und
Gunther genehmigten sich noch ein Eis von der benachbarten Eisdiele.
Um
22:00 Uhr verabschiedeten wir uns zur Nachtruhe. Während wir schon schliefen
erkämpfte England ein mageres 1:0 gegen Polen.
Montag, 17. Juni 2024, dritte Etappe
Lienz (A) - Domegge di Cadore (I), 94.8 km, 2028 hm ↗, 1882 hm ↘
Um
7:00 Uhr weckte uns die Sonne, die durchs offene Fenster schien. Das Frühstück
war angemessen und die Latschen, die wir am Vorabend noch zum Trocknen in den
beheizten Skikeller brachten, waren auch trocken. Um 9:00 Uhr war Abfahrt bei
strahlendem Sonnenschein. Etwa 400 Höhenmeter verteilt auf 30 Kilometer radelten
wir auf dem Drau-Radweg und freuten uns über die schöne Natur und die angenehme,
fast nicht spürbare Steigung. Dann bogen wir auf eine Asphaltstraße, wo es etwas
steiler wurde. Plötzlich war Seppl, der eben noch bei uns war, verschwunden.
Gunther und ich warteten eine Weile, und dann tauchte er am Horizont auf,
sichtlich happy. Ein Anruf vom zukünftigen Chef, der neue Arbeitsvertrag liegt
zur Unterschrift bereit. Gute Nachrichten!
Kurz darauf bogen wir links auf einen Wirtschaftsweg ab. Auch der war angenehm
zu fahren, obwohl die Steigung auf dem Schotterweg etwas zunahm. Um ein Haar
hätten wir eine Kreuzotter, die sich auf dem Weg sonnte, plattgefahren. Einen
Moment lang überlegten wir, ob wir das Tier nicht einpacken sollten, um Gunthers
Problem mit den Fröschen im Teich in Nachbars Garten zu lösen, aber erstens
hatten wir ja noch vier Etappen vor uns und zweitens machte das Vieh nicht den
Eindruck, als wäre es von dieser Idee begeistert.
Weiter
gings zur Porze Hütte, wo wir uns mit Speck- und Kaspressknödelsuppe stärkten.
Seppl nahm die letzte Chance auf Kaiserschmarrn wahr. Wir hatten nämlich nur
noch 150 Höhenmeter bis zur italienischen Grenze auf dem Tilliacher Joch (2094
m), die wir zum großen Teil schiebend überwanden. Von dort mussten wir nur noch
lächerliche 50 Höhenmeter bergab schieben, bevor der Weg fahrbar wurde. Vorsicht
war allerdings angebracht, weil der Schotter ziemlich tief war und die Räder
ständig wegrutschten. Aber auch das ging vorbei. 25 Kilometer Straße, leicht
abfallend, bei leider recht hohem Verkehrsaufkommen standen jetzt an. Eigentlich
wollten wir vor einem langen Tunnel links von der Straße auf eine Umfahrung
abbiegen, um nicht unbeleuchtet im Tunnel von einem LKW plattgefahren zu werden,
aber irgendwie hat Seppl das nicht mitbekommen. Jedenfalls düste er mit
angelegten Ohren an uns vorbei in den Tunnel und hörte auch unser Rufen nicht…
Uns blieb also nichts anderes übrig, als hinterher zu fahren. Vorher allerdings
kramten wir noch alles, was irgendwie leuchtet, aus dem Rucksack, um im Tunnel
auf uns aufmerksam zu machen. Meine mickrige Leselampe trug dazu sicher nicht
viel bei, Gunthers Stirnlampe schon eher.
4
Kilometer können recht lang sein. Obwohl es im Tunnel recht frisch war,
schwitzten wir bei jedem Auto oder LKW, der sich von hinten näherte. Hat er uns
gesehen oder sind wir gleich platt? Alles ging gut, und am Tunnel-Ausgang
wartete Seppl, ebenfalls erleichtert, noch am Leben zu sein. Weiter ging es auf
der vielbefahrenen Straße, weil wir auf unsere ursprünglich geplante Strecke
wegen vieler dazwischenliegenden Höhenmetern nicht mehr wechseln konnten, ohne
nochmal durch den Tunnel zu fahren.
Italienische Autofahrer lieben es offenbar, beim Überholen von Radfahrern
möglichst wenig Platz zu lassen. Ich weiß nicht, warum die das selbst dann
machen, wenn ganz offensichtlich nichts und niemand entgegenkommt. Aber
aufgefallen ist mir das schon während früherer Touren durch Italien. Ich glaube
nicht mal, dass die das böse meinen. Wahrscheinlich können sie es einfach nicht
besser. Sei’s drum, wir haben es überlebt und unser Hotel Ferrovia in Domegge di
Cadore lebend erreicht. Das Hotel macht von außen einen traditionell-altbackenen
Eindruck. Wir wurden freundlich empfangen und gönnten uns erst mal ein Bier auf
der Terrasse. Die Zimmer waren, entgegen unserer Erwartungen, wirklich toll
renoviert. In unserem Doppelzimmer gab es ein großes Doppelbett und ein
Stockbett. Um 19:00 Uhr machten wir uns auf ins Dorf. Wir haben im Internet eine
Lifestyle-Pizzeria ausgemacht, welche sich ein paar Minuten Fußmarsch entfernt
befand. Wir setzten uns rein, studierten die schicki-micki Karte und verstanden
kein Wort. Deshalb beschlossen wir, eine Ecke weiter in eine andere,
bodenständige Pizzeria zu ziehen. Hier war die Karte, wie sie sein muss. Die
Bedienung war nett und die Pizza sehr gut. Nur Gunther ist nicht satt geworden.
Deshalb, und weil wir alle noch Durst hatten, beehrten wir noch ein
naheliegendes Restaurant mit unserem Besuch, wo sich Gunther noch Nudeln
bestellte und die Flasche Rotwein stilvoll in einem Flaschenständer in
Pumps-form serviert wurde. Zurück latschten wir durch den Ortskern ins Hotel, wo
wir um 21:45 Uhr eintrafen, genau richtig um ein Eigentor der Österreicher gegen
die Franzosen im Fernseher an der Rezeption zu sehen.
Dienstag, 18. Juni 2024, vierte Etappe
Domegge di Cadore (I) – Pescul (I), 36.9 km, 1927 hm ↗, 2341 hm ↘
Wir
haben recht gut geschlafen. Das Hotel liegt zwar an einer Hauptstraße, aber
unsere Zimmer waren zum Glück recht ruhig, weil die Fenster nach hinten raus
gingen. Wenn die Italiener kulinarisch eines nicht können, dann ist es
Frühstücken. Um 8:00 Uhr trafen wir uns im Frühstücks-Raum. Das Angebot war
etwas dürftig… Egal, die Sonne schien und wir freuten uns auf einen
erlebnisreichen Tag. Gunther warnte schon beim Frühstück, dass es für die
heutige Strecke keinerlei Erfahrungsberichte gäbe. Der Grund dafür wurde uns im
Verlauf des Tages gewahr.
Um
9:45 Uhr ging es los, gleich recht steil auf Asphalt durch ein idyllisches Tal
fast ohne Autos. Nach wenigen Kilometern endete die Asphaltdecke an einem
Albergo, und weiter ging es durch ein breites, trockenes Flussbett.
Offensichtliche Hochwasserschäden ließen erahnen, dass vor nicht allzu langer
Zeit wohl riesige Wassermassen durch das Tal schossen und große Mengen an Schutt
und Geröll bewegten. Unser Weg war streckenweise weggeschwemmt und wir mussten
schon jetzt schieben. Es war auch schon recht warm, deshalb kam uns das Rifugio
Capanna Delgi Alpini am Ende des Tales für eine kleine Erfrischung gerade recht.
Wir liegen ja gut in der Zeit… dachten wir.
Nach der Rast versuchten wir, den richtigen Weg zu finden. Die ersten Versuche
endeten im Gestrüpp, und wir wollten schon aufgeben. Während wir auf der Karte
nach einer Alternative suchten, entdeckte Seppl einen beschilderten Trampelpfad.
Diesem folgten wir schiebend und tragend 700 Höhenmeter bergauf. Das war eine
ziemliche Viecherei, aber schließlich erreichten wir doch das Rifugio Pietro
Galassi. Dort gab es Spagetti und Kaltgetränke. Da es aber schon spät war, war
es schon jetzt klar, dass wir das vorgesehene Pensum für den Tag nicht schaffen
können. Wir beschlossen, uns bis San Vito di Cadore auf dem geplanten Weg
durchzuschlagen und dort zu versuchen, ein Großraum-Taxi auf den Passo di Giau
zu ergattern. Von dort wollten wir dann nach Pescul rollen, wo wir zwei Zimmer
reserviert hatten. Allerdings lag dazwischen noch einiges an Schieben und
Tragen. Als wir aufbrachen, zückte der Hüttenwirt sein Handy, um die bekloppten
Deutschen zu fotografieren… offenbar waren noch nicht viele mit dem Fahrrad an
diesem Ort.
Noch 60 Höhenmeter bergauf zur Forcella Piccola, und danach 600 Höhenmeter
bergab über endlose Geröllfelder, dann endlich erreichten wir fahrbares Terrain
und genossen es, die letzten 200 Höhenmeter nach San Vito di Cadore im Sattel
absolvieren zu können.
An
der Bushaltestelle schauten wir nach einer Verbindung mit öffentlichen
Verkehrsmitteln. Google Maps prognostizerte eine Reisedauer von 12 Stunden mit
dem ÖPNV…
Also Großraum-Taxi… aber wie kommen wir da dran? Ein kleiner Dorfkiosk mit
Getränkeausschank war unsere nächste Anlaufstelle. Die Chefin, eine freundliche
Oma, sprach zwar weder Englisch noch Deutsch, verstand aber irgendwie doch, was
wir suchten. Sie hängte sich gleich ans Telefon und machte schon beim zweiten
Anruf ein Taxi klar. In 45 Minuten sollte es da sein. Zeit genug also für ein
Getränk und eine Pizza-Schnitte, die es dort auch zu erwerben gab.
Nach einer dreiviertel Stunde traf ein schwarzer VW-Bus ein. Der Fahrer sprach
Deutsch und wir versuchten gleich, die Räder zu verladen. Mit eingebauten
Vorderrädern passten die aber nicht ins Auto. Wir wollten aber die Vorderräder
auch nicht ausbauen und baten den Fahrer deshalb, die zweite Rückbank
auszubauen. Der stimmte auch zu und fuhr dazu noch kurz zur nahegelegenen
„Homebase“ zurück, was die freundliche Oma vom Kiosk sichtlich verwirrte. Nur 5
Minuten später war der Taxler aber wieder da, wir verluden die Räder und
genossen die Fahrt auf den Passo di Giau auf 2236 Meter. Unterwegs erzählte der
Fahrer von den Problemen bei den Bauprojekten für die Winterolympiade 2026 in
der Region. Die Baustelle für die neue Bobbahn in Cortina, an der wir
vorbeifuhren, wurde gerade erst begonnen.
Von
der Passhöhe fuhren wir auf der Passstraße fast 1000 Höhenmeter bergab bis Selva
di Cadore. Von dort waren es nur noch ein paar wenige Kilometer und etwa 100
Höhenmeter bergauf, bis wir Pescul erreichten, wo wir zwei Zimmer für die Nacht
im Garni Ladinia reserviert hatten. Wir gönnten uns noch ein schnelles Bierchen
auf der Terrasse, aber die anwesende Motorrad-Gang aus der Slowakei nervte
ziemlich. Nach dem Duschen und Wäschewaschen machten wir uns auf ins Dorf zum
Restaurant Giglio Rosso, welches uns die Junior-Chefin in unserem Garni
empfohlen hatte. Das Essen war gut und auch relativ preiswert. Zurück im Garni
stellten wir fest, dass die Bar schon geschlossen hatte. Für einen Absacker
mussten wir deshalb ins nahegelegene Hotel nebenan ausweichen.
Als
wir gegen 22:00 Uhr von dieser anstrengenden Mission zurückkehrten, war die Tür
des Garni abgeschlossen und keiner unserer Schlüssel passte ins Schloss. Recht
fix haben wir aber den unverschlossenen Hintereingang entdeckt. Den 2:1 Sieg der
Portugiesen über die Tschechen bekamen wir nur noch im Halbschlaf mit.
Mittwoch, 19. Juni 2024, fünfte Etappe
Pescul (I) – Rifugio Passo Valles (I), 45.6 km, 2391 hm ↗, 1676 hm ↘
Die
Wetterfrösche prognostizierten gutes Wetter bis 16:00 Uhr, danach waren lokale
Gewitter vorhergesagt. Das Frühstück war, wie in Italien üblich, recht einfach.
Allerdings gab es selbstgebackene Sachertorte und Apfelkuchen. Von letzterem hat
sich Seppl ein Stück zum Mitnehmen erschnorrt, mit Genehmigung der Chefin
natürlich.
Nach ein paar Kilometer und 400 Höhenmeter Abfahrt auf Straße bogen wir auf den
Forstweg Richtung Forca Rossa Pass ab. Zuvor besorgen Gunther und Seppl in einer
Apotheke noch Cremchen und Sälbchen für das eine oder andere Wehwehchen.
Die
Schotterpiste am Ostrand des Marmolada-Massivs war zunächst gut fahrbar, wurde
dann aber derart steil, dass selbst der kleinste Gang unserer Räder nicht mehr
ausreichte. Also mussten wir etwa 300 Höhenmeter bei etwa 22% Steigung bis zum
Ende des Wirtschaftsweges schieben. Ab dort ging es auf einem verblockten Pfad
weiter, auf dem wir die Räder größtenteils tragen mussten. Zwischendurch hatten
wir versucht, über eine Pferdekoppel abzukürzen, mussten dies aber abbrechen,
weil der Weg ins Nichts führte. Also zurück auf den originalen Serpentinenpfad.
Etwas geplättet erreichten wir bei sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein
nach 500 Höhenmeter tragen die Passhöhe Forca Rossa auf 2485 Meter.
Die
Abfahrt war, abgesehen von den ersten 150 Höhenmeter, zum großen Teil fahrbar
über Schotterpfade und Bergwiesen. Allerdings waren unsere Getränkevorräte
nahezu aufgebraucht, und Kohldampf hatten wir auch. Da kam es ganz gelegen, dass
das Rifugio Flora Alpina geöffnet hatte. Etwas enttäuscht waren wir, als der
Kellner uns mitteilte, dass die Küche kalt wäre und er uns nur Paninis anbieten
könne. Nix mit Suppe oder Spagetti, aber in der Not frisst der Teufel ja
bekanntlich Fliegen…
Nach der Rast setzten wir unsere Fahrt über einen kleinen Gegenanstieg aus
Asphalt fort und fuhren dann auf einem Asphaltsträßchen auf 1400 Meter ab. Unten
angekommen bogen wir auf die Passstraße zum Passo Valles, wo uns noch 600
Höhenmeter erwarteten. Die Auffahrt ging recht flott und wurde nur von ein paar
bekloppten Mopedfahrern gestört. Ich werde wohl nie verstehen, was an offenen
Auspuffanlagen so cool ist.
Um
17:00 Uhr erreichten wir das Rifugio Passo Valles auf 2000 Meter. Das war auch
wichtig… zumindest für Seppl. Denn heute stand das zweite Spiel der deutschen
Nationalmannschaft an. Anpfiff gegen Ungarn war um 18:00 Uhr, also gerade noch
Zeit für ein Bier auf der Terrasse, Duschen und Wäsche waschen. Überall in und
um das Rifugio waren Schilder angebracht mit der Aufschrift „Don’t touch the
dog, bitte den Hund nicht anfassen“. Der Köter war aber weit und breit nicht zu
Sehen und lies sich während unseres Aufenthalts nicht blicken, zum Glück…
Seppl hat gleich bei Ankunft ein Separee mit Fernseher klar gemacht, in welchem
wir ungestört das Spiel sehen und gleichzeitig das Halbpension-Menü einnehmen
konnten. Wir haben sogar einen deutschen Sender gefunden.
Der
lautstarke Torjubel von Seppl veranlasste auch den Kellner, ab und zu mal
vorbeizuschauen und das Spiel zu schauen. Deutschland qualifizierte sich mit dem
2:0 Sieg schon vorzeitig fürs Achtelfinale.
Das
Essen war ok. Gegen 22:00 Uhr verzogen wir uns in unsere schönen Zimmer. Seppl
und ich hatten glücklicherweise wieder getrennte Betten. Beim Spiel Schottland
gegen die Schweiz stand es zur Halbzeit 1:1.
Donnerstag, 20. Juni 2024, sechste Etappe
Rif. Passo Valles (I) – Andalo (I), 113.5 km, 1662 hm ↗, 2586 hm ↘
Wir
haben gut geschlafen. Aufgewacht bin ich vom Zigarettenqualm von ein paar
Moped-Fahrern, die um 5:30 Uhr unter unserm offenen Fenster ihre Sucht
befriedigten. Das Frühstück war ok.
Abfahrt
war um 9:00 Uhr. Der Himmel war bedeckt, aber es war trocken. Runter ging es auf
der Passstraße auf 800 Meter nach Bersaglio, wo wir auf den schönen Radweg
entlang der Fiemme nach Molina di Fiemme radelten. Über einige Kilometer
erklommen wir hier fast unmerklich 300 Höhenmeter. In Molina di Fiemme befindet
sich direkt am Radweg die Edel-Pasta-Manufaktur Pastificio Felicetti, inklusive
Werksverkauf. Der verfügbare Stauraum in unseren Rucksäcken war aber so
beschränkt, dass wir einen Einkauf dort auf einen späteren Zeitpunkt vertagen
mussten.
Der
nächste Anstieg begann auf einer mäßig befahrenen Autostraße, aber nach etwa 200
Höhenmeter bogen wir auf einen tollen Radweg ab, der uns bis nach San Lugano
führte. Ab dort ging der Radweg weiter auf einer alten Bahntrasse, über Viadukte
und durch alte Bahntunnel über 900 Höhenmeter mit angenehmem Gefälle bis
hinunter ins Etschtal. Dort war es mächtig warm, und uns stand der Sinn nach
einer Rast. In Neumarkt, dem angeblich schönsten Ortskern in Norditalien,
kehrten wir im Restaurant Andreas Hofer ein. Das Restaurant ist benannt nach dem
Tiroler Freiheitskämpfer, der im Februar 1810 hingerichtet wurde. Wir
konsumierten Nudeln und Getränke und genossen die Kühle unter dem alten Gewölbe,
das die Außengastronomie überspannte.
Eigentlich
wollten wir nach der Pause noch ein kleines Nickerchen am Ufer der Etsch machen…
schließlich lagen wir ja „gut in der Zeit“. Aber mittlerweile waren dicke Wolken
aufgezogen. Deshalb zogen wir es vor, diesen Plan zu verwerfen und stattdessen
direkt die 20 Kilometer bis Mezzocorona bei Gegenwind auf dem Etschtal-Radweg
anzugehen.
In
Mezzocorona angekommen fing es etwas an zu Regnen. Das war sogar recht angenehm,
weil es dadurch etwas abkühlte. Genau richtig für die anstehenden 1100
Höhenmeter nach Andalo. Der Einstieg zur Auffahrt war etwas knifflig, weil er
durch einen Tunnel auf einer vielbefahrenen Straße führte, aber der Tunnel war
nur 400 Meter lang. Eine Alternative gab es sowieso nicht, also Augen zu und
durch. Weiter ging es zuerst auf Straße, dann über Asphaltwege, durch Weinberge
und schließlich über gut fahrbare Schotterwege hoch nach Andalo. Mittlerweile
schien schon wieder die Sonne und es war mächtig schwül. Ein Wetter ganz nach
Gunthers Geschmack. Der Schweiß lief ihm schon buchstäblich aus den Latschen…
Seppls Knie, das bis dahin gut durchgehalten hatte, meldete sich und mahnte zur
Vorsicht. Zwischendurch mussten wir ein paar Meter schieben, weil die Steigung
von 25% Fahren für uns unmöglich machte.
Um
17:30 Uhr erreichten wir die wenig sehenswerte Innenstadt von Andalo und
checkten im Hotel La Roccia ein. Für ein Radler aus der Dose war vor dem Duschen
und Wäsche waschen noch Zeit. Unser Doppelzimmer hatte auch wieder Einzelbetten.
Zum
Durstlöschen suchten wir uns eine Kneipe gegenüber des Hotels aus, wo wir auf
der beschatteten Terrasse ein paar Bierchen und Radler konsumierten, bevor wir
eine Pizzeria suchten. Fündig wurden wir recht schnell. Das auserwählte
Etablissement sah von außen etwas schäbig aus, überraschte aber innen mit nettem
Ambiente und einer tollen Holzdecke. Auch das Essen entsprach unseren
Erwartungen, nur das Spiel England-Dänemark, welches auf Seppls Anfrage im
Fernseher lief und mit einem mageren 1:1 endete, langweilte ziemlich.
Nach dem Essen wollten wir eigentlich die Location für einen Schlummertrunk
wechseln. Weil wir aber nichts Ansprechendes fanden, kehrten wir zu unserer
Pizzeria zurück und setzten uns auf die Terrasse, um das Spiel Spanien gegen
Italien zu schauen. Die Anteilnahme der italienischen Beobachter hielt sich aber
sehr in Grenzen. Es wurden keinerlei Emotionen gezeigt, und die Spanier
gewannen, wie von Olaf Thon am Morgen schon angekündigt hatte, mit 1:0. Um 23:00
Uhr dackelten wir zurück zum Hotel.
Freitag, 21. Juni 2024, siebte Etappe
Andalo (I) – Riva (I), 70.6 km, 1651 hm ↗, 2468 hm ↘
Finale! Der Himmel zeigte sich leicht bedeckt. 8:00 Uhr Frühstück, 9:00 Uhr
Treffpunkt in der Garage bei den Fahrrädern, wo schon eine Horde Shuttle-Biker
ihre Federwegs-Monster auf die Sessellift-Fahrt auf den Monte Paganella
vorbereiteten. Draußen wurde gerade das Begleitfahrzeug gepackt als ginge es auf
Weltreise.
Unser Weg führte uns 2 Kilometer auf Straße aus dem Ort, und dann auf einem
zunächst fahrbaren Forstweg bergauf. Gunther hatte mit Handy und Komoot am
Vorabend noch ein paar Optimierungen am Streckenverlauf vorgenommen, um die
steilsten Streckenabschnitte zu entschärfen. Der Erfolg dieser Aktion war aber
überschaubar. Der Streckenverlauf schnitt die Höhenlinien immer noch orthogonal,
nur eben auf der Rückseite des Berges. Ich glaube, dass Komoot für die Alpen nur
bedingt zu gebrauchen ist, weil das Komoot Höhenmodell nicht präzise genug ist.
Sei’s drum 700 Höhenmeter Schieben über die Skipiste konnten uns nicht
aufhalten. Teilweise war die Piste so steil, dass wir uns im ZickZack den Hang
hochquälten.
Oben
an der Bergstation vom Sessellift aus Andalo befand sich eine Hütte, die zur
Einkehr einlud. Die Hütte war gut besucht von Bergab-Radlern, die sich vor der
Abfahrt stärkten. Auch ein paar „Biker“ aus unserem Hotel waren dort und auch
wir haben uns dort erfrischt. Während Seppl noch seine Nudeln verzehrte, war
Gunther wieder mit Komoot zu Gange, um die letzten verbleibenden 300 Höhenmeter
auf das notwendige Minimum einzudampfen. Einige kürzere Rampen waren aber nicht
zu vermeiden.
Als
wir aufbrachen, hofften wir noch einen Blick auf den Molveno-See zu erhaschen,
aber es war ziemlich diesig und die Fernsicht entsprechend dürftig. Am
Radständer vor der Hütte war mittlerweile kaum noch Platz und wir waren froh,
wieder in die Einsamkeit der Trails eintauchen zu können. Die ersten Kilometer
wurden wir noch von ein paar Bergab-Radlern begleitet, die wir aber bei den
ersten Steigungen hinter uns lassen konnten. Aber eigentlich hatten wir gar
keine Lust mehr auf Anstiege. Eine Skipiste und ein anschließender Waldweg
führte uns schließlich hinunter auf ein kleines Asphaltsträßchen, dem wir bis
Ranzo folgten. Ab dort bewegten wir uns auf bekanntem Terrain. Die megasteile
Beton-Abfahrt zum Lago di Toblino kannten wir schon von der Tour in 2016 und
brachte auch dieses Mal wieder unsere Bremsen zum Glühen.
Am
Lago di Toblino See mit dem exklusiven Inselrestaurant im Castel Toblino führt
eine sehr stark befahrene Straße entlang. Wir versuchten die kurze Strecke, die
wir auf dieser Straße absolvieren mussten, mit einem potentiell
lebensverlängernden Sprint zu überbrücken, bevor wir auf den Radweg entlang der
Sarca abbogen. Diesem sehr schönen Weg folgten wir bis Riva, durch mediterrane
Vegetation und vorbei an duftenden Feigenbäumen, die hier wie Unkraut wachsen
und mich an mein mickriges, undankbares Gewächs zuhause erinnerten.
Der
Weg zum Hafen von Riva führte vorbei an unserem Hotel, das sich deutlich weiter
außerhalb der Stadt befand als ich beim Buchen realisiert hatte. Am Hafen
folgten wir der mittlerweile schon traditionellen Routine: Finisher-Bild, Anruf
zuhause, Gunther hüpft in den See, Spagetti-Vongole und Gunther kassiert einen
Rüffel vom Kellner… diesmal wegen „Füße auf dem Stuhl“. Nach ein paar Bierchen
schwebten wir auch schon ein wenig, aber wir vergasen nicht, auf dem Weg ins
Hotel einen Tisch fürs Abendessen zu reservieren.
Einchecken und Duschen ging fix, die Radklamotten haben wir aromaversiegelt und
schon mal im Rucksack verpackt. Um 19:45 Uhr war Abmarsch zum Restaurant. Wir
dinierten im selben Restaurant, das wir schon letztes Jahr beehrten, und auch
dieses Jahr waren wir wieder sehr zufrieden. Anfangs waren wir etwas enttäuscht,
dass wir nur einen Tisch „drinnen“ bekamen, aber als es draußen wie aus Kübeln
anfing zu regnen, waren wir darüber gar nicht mehr so traurig.
Nach dem Essen hatte der Regen schon wieder aufgehört und wir marschierten
zurück Richtung Hotel. Der raditionelle Caipirinha
(https://de.wikipedia.org/wiki/Caipirinha) musste aber natürlich noch sein. Die
Rivabar erschien uns für diese Aufgabe geeignet zu sein…
Samstag, 22. Juni 2024, Rückreise
Geweckt hat uns die Müllabfuhr, die allem Anschein nach dutzende Glascontainer
direkt unter unserem Zimmerfenster geleert hat. Am Vortag hatten wir schon
angefragt, ob wir eventuell schon etwas früher frühstücken könnten, da unser
Shuttle um 8:15 Uhr in Torbole losfahren sollte. Diesem Wunsch wurde auch
entsprochen, und um 7:15 Uhr war schon das komplette Frühstücksbuffet aufgebaut.
Da das Unwetter vom Vorabend in ganz Riva sämtliche Bankautomaten lahmgelegt hat
und auch Kartenzahlung nicht möglich war, waren wir froh, zum Auschecken genug
Bargeld dabei zu haben.
Als
wir die Räder aus dem Schuppen holten, stellte ich fest, dass mein Vorderrad
platt war… offenbar ein schleichender Plattfuß, wie sich herausstellte
verursacht durch ein Dorn in der Lauffläche. Aufpumpen sollte also reichen für
die 2 Kilometer nach Torbole.
Am
Shuttle, diesmal ein ausgewachsener Reisebus, herrschte etwas Chaos. Auf der
Teilnehmerliste waren unter Gunthers Namen nur zwei Mitfahrer gelistet. Gunther
konnte aber beweisen, dass er für drei gebucht und bezahlt hatte. Die Räder
wurden in den Anhänger geladen, unsere zuletzt, weil wir als erstes aussteigen
mussten. Bei der Fahrt mit dem Bus nach Nago bot sich nochmal ein letzter Blick
auf den stahlblauen See. Nur um die Mündung der Sarca färbte sich das Wasser
cappuchinobraun, da es wohl auch in den Bergen am Vorabend heftig geregnet
hatte.
Auch die Etsch führte neben einer Menge Wasser jede Menge Treibgut. Nach einer
kurzen Rast am Brenner und etwas zähfließendem Verkehr auf der Brennerautobahn
ließ uns der Busfahrer kurz vor Innsbruck raus. Nochmal kurz das Vorderrad
aufpumpen und schon rollten wir hinunter zum Hauptbahnhof. Nur etwa 40 Minuten
später saßen wir schon im sehr sauberen Zug nach Wörgl, wo wir knapp 45 Minuten
später auch ankamen. Noch ein kurzer Ritt entlang des der Brixentaler Ache zu
unseren Autos, die wir unversehrt vorfanden, und schon war unsere diesjährige
Alpenüberquerung leider Geschichte. Für mich ist das immer ein Moment mit
gespaltenen Gefühlen. Einerseits bin ich froh, dass die Anstrengungen vorbei
sind, anderseits bin ich auch traurig, dass die schönen Tage schon wieder vorbei
sind.
Nachdem wir die Räder verstaut und anständige Klamotten angezogen hatten,
verabschiedete ich mich von Seppl und Gunther. Die beiden kamen gut zuhause an.
Ich verbrachte noch eine Nacht bei meinen Eltern in Ulm.
Fazit
Auch dieses Jahr war die Tour wieder ein tolles Erlebnis mit einigen Highlights.
Gefreut hat mich, dass ich dieses Jahr besser mithalten konnte. Einige
altersbedingt vorgeschädigte Körperteile verlangen unterwegs zwar etwas
Zuwendung, verrichteten dann aber nahezu klaglos ihren Dienst.
Eine alte Erkenntnis hat sich auch dieses Jahr wieder bestätigt, nämlich dass
die Aussagekraft von Höhen- und Kilometer einer Etappe beschränkt ist. Die
härteste Etappe dieses Jahr war die vierte, welche zugleich auch die kürzeste
war.
Die
Tour schon Mitte Juni zu fahren, erwies sich als gute Idee. Die Hotels sind noch
nicht ausgebucht, die Trials sind leer und die Hitze hält sich in Grenzen, was
besonders Gunther gefreut hat. Natürlich hatten wir auch ziemlich Glück mit dem
Wetter, das kann natürlich im Juni auch ganz anders aussehen.
Der
Schiebeanteil war dieses Jahr etwas höher als sonst, aber wir wussten schon
vorher, dass dieses Risiko besonders bei der vierten Etappe bestand.
Dass ich dieses Jahr überhaupt dabei sein konnte, habe ich diesmal meiner
Schwägerin Sibylle zu verdanken, die vorübergehend bei uns eingezogen ist und
Britta unterstützt hat. Das war große Klasse!
Die nackten Zahlen
Das Höhenprofil
Übersichtskarte